Die Mumie
»Je mehr ich dir gebe, desto mehr verlierst du am Spieltisch. Kehr nach London zurück, um Himmels willen. Geh zurück zu deiner Geliebten und deinen Music Hall-Kumpels.
Aber geh.«
Laute Geräusche waren von draußen zu hören – ein Auto knatterte, während es sich die Sandstraße herauf quälte.
Plötzlich trat ein dunkelhäutiger Diener in schmutziger Kleidung mit einem Frühstückstablett ein. Samir folgte ihm.
»Ich kann sie nicht mehr lange zurückhalten, Lawrence«, sagte er. Mit einer knappen, anmutigen Geste bat er den Diener, das Frühstück auf dem Klapptisch abzustellen. »Die Männer von der britischen Botschaft sind ebenfalls hier, Lawrence.
Und alle Reporter von Alexandria bis Kairo. Ich fürchte, es herrscht ein ziemlicher Tumult da draußen.«
Lawrence betrachtete die Silberteller, die Porzellantassen. Er wollte mit seinen Schätzen allein sein.
»Versuchen Sie, sie mir, so lange es geht, vom Leibe zu halten, Samir. Lassen Sie mich noch ein paar Stunden allein mit diesen Schriftrollen. Samir, diese Geschichte ist so traurig, so erschütternd.«
»Ich werde mein Bestes tun«, antwortete Samir. »Aber Sie sollten frühstücken, Lawrence, Sie sind erschöpft. Sie brauchen etwas zu essen und Ruhe.«
»Samir, ich habe mich nie besser gefühlt. Halten Sie sie mir bis Mittag vom Leib. Und nehmen Sie Henry mit. Henry, geh mit Samir. Er wird sich darum kümmern, daß du etwas zu essen bekommst.«
»Ja, kommen Sie mit mir, Sir, bitte«, sagte Samir rasch.
»Ich muß mit meinem Onkel allein sprechen.«
Lawrence sah wieder in sein Notizbuch. Und auf die Schriftrolle darüber. Ja, der König hatte von seiner Trauer danach geschrieben, und davon, daß er sich hierher in ein geheimes Studierzimmer fernab von Kleopatras Mausoleum in Alexandria, fernab vom Tal der Könige, zurückgezogen hatte.
»Onkel«, sagte Henry frostig, »ich kehre mit allergrößtem Vergnügen nach London zurück, wenn du dir nur einen Augenblick Zeit nimmst, um das zu unterschreiben…«
Lawrence sah nicht einmal von seiner Papyrusrolle auf. Vielleicht folgte noch ein Hinweis darauf, wo Kleopatras Mausoleum gestanden hatte.
»Wie oft muß ich es noch sagen?« murmelte er gleichgültig.
»Nein. Ich unterschreibe keine Dokumente. Und jetzt nimm deine Aktentasche mit, und geh mir aus den Augen.«
»Onkel, der Earl erwartet eine Antwort wegen Julie und Alex.
Er wird nicht ewig warten. Und was die Dokumente anbelangt, es sind doch nur ein paar Anteile.«
Der Earl… Alex und Julie. Es war entsetzlich. »Großer Gott, in so einem Augenblick.«
»Onkel, die Welt ist wegen deiner Entdeckung nicht stehengeblieben.« Welch ätzender Tonfall. »Und das Aktienkapital muß flüssig gemacht werden.«
Lawrence legte den Federhalter weg. »Nein, auf keinen Fall«, sagte er und sah Henry kalt an. »Und was die Hochzeit anbe-trifft, die kann warten. So lange jedenfalls, bis Julie sich selbst entscheidet. Geh nach Hause und sag das meinem guten Freund, dem Earl of Rutherford! Und sag deinem Vater, ich werde keine weiteren Familienaktien mehr verkaufen. Und jetzt laß mich in Ruhe.«
Henry bewegte sich nicht. Er befingerte unbehaglich die Aktentasche und sah mit verkniffenem Gesicht auf seinen Onkel hinab.
»Onkel, du verstehst nicht…«
»Dann laß mich dir sagen, was ich verstehe«, sagte Lawrence, »daß du ein königliches Vermögen am Spieltisch verloren hast und dein Vater alles machen würde, um deine Schulden zu bezahlen. Nicht einmal Kleopatra und ihr trunkener Liebhaber Markus Antonius hätten das Vermögen verschleudern können, das durch deine Finger gegangen ist. Und wozu braucht Julie überhaupt den Rutherford-Titel? Alex braucht die Millionen der Stratfords, so sieht es aus. Alex ist ein Bettler mit Titel, genau wie Elliott. Gott verzeihe mir. Es ist die Wahrheit.«
»Onkel, Alex könnte sich mit diesem Titel jede Erbin in London kaufen.«
»Und warum macht er es dann nicht?«
»Ein Wort von dir, und Julie würde sich entscheiden…«
»Und Elliott würde dir seine Dankbarkeit erweisen, weil du alles so trefflich arrangiert hast, richtig? Und mit dem Geld meiner Tochter könnte er wahrhaftig großzügig sein.«
Henry war vor Zorn alle Farbe aus dem Gesicht gewichen.
»Was liegt dir schon an dieser Heirat?« fragte Lawrence verbittert. »Du erniedrigst dich, weil du das Geld brauchst…«
Er glaubte zu sehen, daß sich die Lippen seines Neffen zu einem Fluch bewegt hatten.
Er wandte sich der Mumie zu und
Weitere Kostenlose Bücher