Die Mumie
leihen mußte.« Er hatte ein freundliches Funkeln in den Augen, als er auf sie herabsah. Er schien sich sehr zu freuen.
Und auch sie freute sich.
»Und Aida handelt vom alten Ägypten?«
»Ja, Radames singt.«
»Ja! Sie kennen sich aus. Ich wette, Sie mögen Opern, ich wette, Sie schätzen Opern.« Plötzlich runzelte er ein wenig die Stirn. »Alles in Ordnung, kleine Lady? Vielleicht finden Sie die Altstadt romantischer. Möchten Sie etwas trinken? Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug in meinem Auto. Es steht direkt hinter dem Shepheard.«
»Automobil?«
»Aber bei mir sind Sie sicher, kleine Lady. Ich bin ein wirklich sicherer Fahrer. Wissen Sie was. Waren Sie schon einmal bei den Pyramiden?«
Pü-rah-mieden.
»Nein«, sagte sie. »In Ihrem Auto fahren, toll!«
Er lachte. Er rief dem Kutscher etwas zu, woraufhin dieser das Pferd nach links lenkte. Sie fuhren um das Hotel herum, das Shepheard, ein prunkvolles Gebäude mit hübschen Gärten.
Als er nach oben faßte, um ihr aus der Kutsche zu helfen, be-rührte er fast die empfindliche Öffnung in ihrer Brust. Sie erschauerte. Aber es war nichts passiert. Doch es hatte sie daran erinnert, daß die Wunde immer noch da war. Wie konnte man mit derart gräßlichen Wunden leben? Was auch immer jetzt geschah, sie mußte am Abend zurückkehren, um Lord Rutherford zu treffen. Lord Rutherford war weggegangen, um mit dem Mann zu sprechen, der alles erklären konnte – der Mann mit den blauen Augen.
Sie trafen gemeinsam im Versteck ein. Julie erklärte sich bereit zu warten, während Samir und Ramses eintraten und die drei leerstehenden Zimmer und den kleinen Garten überprüften. Dann erst winkten sie sie herein. Ramses schloß die Tür.
Drinnen stand ein kleiner Holztisch mit einer Kerze darauf, die in einer alten Weinflasche steckte. Samir zündete die Kerze an, Ramses zog zwei Stühle mit hohen Lehnen heran. Julie brachte einen dritten.
So war es bequem genug. Die Nachmittagssonne fiel durch den alten Garten und die Hintertür herein. Es war heiß in dem Haus, aber nicht unerträglich, obwohl Fenster und Türen lange Zeit verschlossen gewesen waren. Die abgestandene Luft roch nach Gewürzen und Staub.
Julie legte die arabische Kopfbedeckung ab und schüttelte ihr Haar. Wegen der Kopfbedeckung hatte sie es nicht hochgesteckt. Jetzt löste sie das Band, mit dem sie es im Nacken zusammengehalten hatte.
»Ich glaube nicht, daß du diese Frau getötet hast«, sagte sie gleich als erstes und sah Ramses an, der ihr gegenüber saß.
In dem Wüstengewand sah er aus wie ein Scheich. Sein Gesicht lag teilweise im Schatten, das Kerzenlicht spiegelte sich in seinen Augen.
Samir nahm schweigend Platz.
»Ich habe die Frau nicht getötet«, sagte Ramses zu ihr. »Aber ich bin für den Tod der Frau verantwortlich. Und ich brauche deshalb eure Hilfe. Ihr müßt mir helfen. Und ihr müßt mir vergeben. Die Zeit ist gekommen, daß ich euch alles sage.«
»Sire, ich habe eine Nachricht für Sie«, sagte Samir, »die ich Ihnen unverzüglich überbringen muß.«
»Was für eine Nachricht?« fragte Julie. Warum hatte ihr Samir nichts davon gesagt?
»Ist sie von den Göttern, Samir? Rufen sie mich zum Gericht?
Für weniger wichtige Botschaften habe ich keine Zeit. Ich muß euch berichten, was geschehen ist, was ich getan habe.«
»Sie ist vom Earl of Rutherford, Sire. Er hat mich im Hotel angesprochen. Er glich einem Wahnsinnigen und hat mich beauftragt, Ihnen zu bestellen, daß er sie hat.«
Ramses schien vom Donner gerührt. Er sah Samir fast blut-dürstig an.
Julie konnte es nicht ertragen.
Samir holte etwas unter dem Gewand hervor und gab es Ramses. Es war eine Glasphiole, wie sie sie zwischen den Alabastergefäßen der Sammlung gesehen hatte.
Ramses sah sie an, machte aber keine Anstalten, sie Samir abzunehmen. Samir wollte weitersprechen, doch Ramses brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. Er schien kaum noch er selbst.
»Sag mir, was das zu bedeuten hat!« sagte Julie, die nicht länger an sich halten konnte.
»Er ist mir ins Museum gefolgt«, flüsterte Ramses. Er starrte die leere Phiole an.
»Aber wovon sprichst du? Was ist denn im Museum geschehen?«
»Sire, er sagt, die Sonne hat ihr geholfen. Und die Medizin in der Phiole hat ihr geholfen, aber er braucht noch mehr davon.
Sie ist innerlich wie äußerlich verletzt. Sie hat dreimal getötet.
Sie ist wahnsinnig. Er hält sie an einem sicheren Ort fest und möchte sich mit Ihnen treffen. Er hat mir
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