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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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stehen. Was für ein prachtvoller, muskulöser junger Mann er war. Und blaue Augen hatte er, so leuchtend, fast wie der andere…
    Sie blickte über die Schulter nach hinten. Es war kein Traum gewesen. Die Statue stand da, hoch über den Metallwegen.
    Sie konnte das Dröhnen der Gefährte hören, obwohl keines zu sehen war.
    Einen Augenblick war ihr wieder schwindlig und sie stolperte.
    Er half ihr. Er führte sie.

    Sie lauschte aufmerksam den Worten, die er sprach.
    »Es ist ein hübsches Plätzchen, da können Sie sitzen und ausruhen. Wissen Sie, Sie haben mir einen schönen Schrek-ken eingejagt. Herrje, Sie sind umgefallen, als hätten Sie eins auf den Kopf bekommen.«
    Das Café. Die Stimme aus dem Grammophon hatte gesagt:
    »Wir treffen uns im Café.« Offenbar ein Ort, um Kaffee zu trinken, um sich zu treffen und zu reden. Und voll von Frauen in solchen Kleidern und jungen Männern, die angezogen waren wie Lord Rutherford und dieses edle Wesen mit den kräftigen Armen und Beinen.
    Sie setzte sich an das kleine Marmortischchen. Überall Stimmen. »Nun, offen gesagt, ich finde das hier super, aber du weißt ja, Mutter, wie sie sich benimmt.« Und »Gräßlich, oder nicht? Sie sagen, man hat ihr das Genick gebrochen.« Und
    »Dieser Tee ist kalt. Ruf den Kellner.«
    Sie sah, wie ein Mann am Nebentisch dem Diener bedrucktes Papier überreichte. War das Geld? Der Diener gab ihm Münzen zurück.
    Ein Tablett mit heißem Kaffee war vor sie gestellt worden. Sie war jetzt so durstig, daß sie die Kanne hätte allein leertrinken können, aber sie wußte, es gehörte sich, daß er die Tassen füllte. Das wußte sie von Lord Rutherford. Und der junge Mann tat es auch. Ein hübsches Lächeln hatte er. Wie sollte sie ihm sagen, daß sie gleich sein Lager teilen wollte? Sie mußten ein kleines Gasthaus suchen. Diese Menschen kannten doch sicher Gasthäuser.
    Am Tisch gegenüber sagte eine junge Frau:
    »Ich kann die Oper nicht ausstehen. Wenn ich in New York wäre, würde ich überhaupt nicht hingehen. Aber da wir in Kairo sind, erwartet man, daß wir in die Oper gehen und daß es uns gefällt. Wie lächerlich.«
    »Aber Liebling, es ist Aida.«
    Aida. »Celeste Aida.« Sie fing an zu summen, und dann zu singen, aber so leise, daß diese Menschen sie nicht hören konnten. Er lächelte sie an, er strahlte wieder. Eine Kleinigkeit, ihn ins Bett zu bekommen. Ein Bett zu finden war vielleicht schwieriger. Sie konnte ihn mit in das kleine Haus nehmen, aber das war zu weit weg. Sie hörte auf zu singen.
    »Nein, Sie dürfen nicht aufhören«, sagte er. »Singen Sie weiter.«
    Singen Sie weiter, singen Sie weiter. Das Geheimnis bestand darin, einen Moment zu warten, denn dann ergab sich der Sinn meistens von selbst.
    Das hatte sie von Ramses gelernt. Am Anfang hörte sich jede Sprache unverständlich an. Man sprach sie, man hörte zu, und allmählich wurde sie klar.
    Ramses, Ramses, dessen Statue zwischen den eisernen Wagen stand! Sie drehte sich um und streckte den Hals, um zum Fenster hinaus zu sehen – herrje, das Fenster war mit einem riesigen völlig durchsichtigen Glas bedeckt. Sie konnte den Schmutz darauf sehen. Wie machen sie so etwas nur? »Moderne Zeiten«, wie Lord Rutherford gesagt hatte. Nun, wenn sie in der Lage waren, solch schreckliche Wagen machen zu können, dann konnten sie auch solches Glas machen.
    »Sie haben eine hübsche Stimme, sehr hübsch. Gehen Sie zufällig in die Oper? Alle in Kairo gehen hin, so scheint es jedenfalls.«
    »Der Ball wird nicht vor Morgen zu Ende sein«, sagte die Frau gegenüber zu ihrer Begleiterin.
    »Ich finde das toll. Wir sind einfach zu weit weg von jeder Zivilisation, als daß wir uns beschweren könnten.«
    Er lachte. Er hatte die Frauen ebenfalls gehört.
    »Der Ball soll das Ereignis der Saison werden. Er findet im Shepheard Hotel statt.« Er trank einen Schluck von seinem Kaffee. Das war das Signal, auf das sie gewartet hatte. Sie stürzte die ganze Tasse hinunter.
    Er lächelte. Er schenkte ihr noch eine aus der kleinen Kanne ein.
    »Danke«, sagte sie und ahmte sorgsam die Stimme auf der Schallplatte nach.
    »Wollten Sie nicht Zucker?«
    »Ich glaube, ich ziehe Sahne vor, wenn Sie gestatten.«
    »Aber gewiß doch.« Er goß einen Schluck Milch in ihre Tasse.
    War das Sahne? Ja, Lord Rutherford hatte ihr das bißchen gegeben, das das Sklavenmädchen noch im Haus gehabt hatte.
    »Gehen Sie auf den Ball im Shepheard Hotel? Wir wohnen dort, mein Onkel und ich. Mein Onkel ist

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