Die Muschelsucher
blühende Pracht von Geranien, Geißblatt und Pelargonien enthalten würden.
Die Tür war genauso rot wie die Mülltonne. Er wartete, während sie aufschloß, öffnete und folgte ihr langsam und vorsichtig ins Haus und befand sich in einer hellen und geräumigen Küche, wie er sie noch nie gesehen hatte. Seine Mutter war nur in die Küche gegangen, um Lily, der Köchin und Haushälterin, zu sagen, wie viele Personen am nächsten Tag zum Lunch kommen würden. Da sie sich nie längere Zeit in der Küche aufhalten und ganz gewiß nicht dort arbeiten mußte, war ihr die Einrichtung gleichgültig, und Ambrose hatte sie als einen unerfreulichen, alles andere als einladenden, flaschengrün gestrichenen Raum in Erinnerung. Wenn Lily nicht gerade Kohlen schleppte, Mahlzeiten zubereitete, Möbel abwischte oder bei Tisch auftrug, hielt sie sich in einem winzigen Zimmer auf, das von der Küche abging und mit einer eisernen Bettstelle und einer gelblackierten Kommode möbliert war. Sie mußte ihre Kleidungsstücke an einen Haken an der Tür hängen, und wenn sie baden wollte, mußte sie es nachmittags tun, wenn sonst niemand das Badezimmer benutzte, ehe sie ihr gutes schwarzes Arbeitskleid anzog und eine weiße Musselinschürze umband. Bei Ausbruch des Krieges hatte Lily das Leben ihrer Arbeitgeberin in seinen Grundfesten erschüttert, indem sie kündigte und in einer Munitionsfabrik anfing. Mrs. Keeling hatte keinen Ersatz für sie finden können, und Lilys Verrat war einer der Gründe, weshalb sie klein beigegeben und sich ins fernste Devon zurückgezogen hatte, um dort zu warten, bis wieder Friede war.
Aber diese Küche hier. Er stellte die Reisetasche hin und blickte sich um. Sah den langen blankgescheuerten Holztisch, die Kollektion von Stühlen, das Küchenbüfett mit den vielen bemalten Keramiktellern, Krügen und Schüsseln. An einem Balken über dem Herd hingen, säuberlich nach der Größe geordnet, Töpfe und Kasserollen aus Kupfer neben Kräuterbüscheln und Trockenblumensträußen. Er sah einen Korbsessel, einen blitzenden weißen Kühlschrank, und unter dem Fenster war ein großes weiß emailliertes Spülbecken, so daß jeder, der Geschirr spülen mußte, die Füße der Leute betrachten konnte, die auf dem Bürgersteig vorbeigingen. Der Fußboden hatte einen Plattenbelag und war übersät mit Binsenmatten und Binsenvorlegern, und es roch nach Knoblauch und Kräutern wie in einer épicérie in einem Dorf in Frankreich. Er traute seinen Augen nicht. »Das ist eure Küche?«
»Es ist unser Zimmer für alles. Wir wohnen hier unten.« Erst jetzt sah er, daß der Raum die ganze Länge des Hauses einnahm, denn am anderen Ende führten Fenstertüren in einen Garten, der aus lauter Grün zu bestehen schien. Er wurde jedoch von einem breiten Rundbogen mit einem schweren, hübsch gemusterten - Ambrose wußte nicht, daß der Entwurf von William Morris war -Vorhang unterteilt. »Ursprünglich«, fuhr Penelope fort, während sie ihre Jacke und die Umhängetasche auf den Tisch legte, »waren hier unten natürlich lauter Vorratsräume und Speisekammern, aber Papa hat alle Zwischenwände einreißen lassen und ein Gartenzimmer daraus gemacht, wie er es nennt. Wir benutzen den hinteren Teil als Wohnzimmer. Komm und sieh es dir an.« Er nahm den Hut ab und folgte ihr.
Als er den Rundbogen passiert hatte, sah er den Kamin mit der Einfassung aus farbigen italienischen Kacheln, das Klavier, das alte Grammophon. Große, vielbenutzte Ledersofas und Ledersessel mit losen Bezügen aus verblichenem Kretonne in verschiedenen Mustern, über die breite Seidenschals drapiert waren, schöne Tapisseriekissen. Die Wände waren weißgetüncht und wurden zum größten Teil von Bücherregalen und Fotos bedeckt - von all dem, was sich in vielen Jahren angesammelt hatte, nahm er an. Die restlichen Flächen nahmen Bilder ein, die üppige Gärten und sonnige Terrassen darstellten und in intensiven Farbtönen gehalten waren, bei deren Anblick er die Wärme der südlichen Länder zu spüren glaubte, in denen sie gemalt worden waren. »Sind die Bilder von deinem Vater?«
»Nein. Wir haben nur noch drei Bilder von ihm, und sie sind alle in Cornwall. Er hat Arthritis in den Händen und kann nicht mehr malen. Diese Bilder sind alle von seinem Freund, Charles Rainier. Sie haben vor dem letzten Krieg zusammen in Paris gearbeitet und sind noch heute befreundet. Die Rainiers haben ein herrliches Haus in Südfrankreich. Wir sind früher oft bei ihnen gewesen. in
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