Die Muschelsucher
zurückgerufen werden mußte. Sie bekam Urlaub, und Ambrose erzählte, was er vorhatte. Einer seiner Freunde. ein Oberleutnant bei der Freiwilligenreserve der Royal Navy mit beneidenswerten Beziehungen zur Theaterwelt. hatte es geschafft, ihm zwei Karten für The Dancing Years im Drury Lane Theatre zu besorgen. Er organisierte etwas Benzin und lieh sich von einem anderen hilfsbereiten Kumpel fünf Pfund. Am Samstagmittag fuhr er am Tor des Frauenhilfskorps-Quartiers vor und bremste so rasant, daß kleine Kieselsteine in alle Richtungen flogen. Eine Gemeine kam gerade vorbei, und er sagte ihr, sie sei ein Schatz, und ob sie bitte die Gemeine Stern suchen und ihr ausrichten würde, Oberleutnant zur See Keeling sei da und warte auf sie. Sie bekam einen glasigen Blick, als sie das schnittige kleine Auto und den attraktiven jungen Offizier sah, aber er war glasige Blicke gewohnt und nahm ihren offensichtlichen Neid und ihre nicht minder offensichtliche Bewunderung als einen Tribut hin, der ihm zustand. »Mich nicht mehr von dir überraschen lassen, egal, was du tust«, hatte er Penelope spitzbübisch erklärt, doch als sie endlich erschien, war es schwer, nicht ein bißchen überrascht zu sein, denn sie hatte ihre Uniform an, trug ihre alte Pelzjacke und eine Umhängetasche über der Schulter, und das war alles.
»Wo ist dein Gepäck?« fragte er, als sie eingestiegen war und den Pelz zwischen ihren Füßen auf dem Boden verstaute. »Hier.« Sie hielt die Umhängetasche hoch.
»Das ist dein ganzes Gepäck? Aber wir sind das Wochenende über fort. Wir gehen ins Theater. Du hast doch nicht vor, die ganze Zeit diese unmögliche Uniform zu tragen, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Ich fahre doch nach Haus. Dort sind genug Sachen zum Anziehen, ich werde schon etwas Passendes finden.« Ambrose dachte an seine Mutter, die gern für jede Gelegenheit eine Garderobe kaufte und dann zwei Stunden brauchte, um sich zu entscheiden, was sie anziehen wollte. »Was ist mit einer Zahnbürste?«
»Meine Zahnbürste und meine Haarbürste sind hier in der Tasche. Das ist alles, was ich brauche. Wir fahren doch nach London, oder nicht?«
Es war ein schöner sonniger Tag, wie geschaffen dafür, alles hinter sich zu lassen, den Dienst zu vergessen und mit jemandem, den man sehr gern hatte, ins Wochenende zu fahren. Ambrose nahm die Straße über Portsdown, und als sie oben waren, schaute Penelope auf Portsmouth zurück und sagte der Stadt freudig Lebewohl. Sie fuhren durch Purbrook und durch das Hügelland an der Küste nach Petersfield, und in Petersfield merkten sie, daß sie Hunger hatten, hielten vor einem Pub und gingen hinein. Ambrose bestellte Bier, und eine freundliche Frau machte ihnen Sandwiches mit Büchsenfleisch, das sie mit einem gelben Blumenkohlröschen aus einem Mixed-Pickles-Glas garnierte.
Dann kamen sie durch Haslemere und Farnham und Guildford und fuhren über Hammersmith auf der King’s Road nach London hinein und bogen in die Oakley Street, bei deren Anblick Penelopes Herz höher schlug, mit der Albert-Brücke am anderen Ende und den Möwen und dem salzigen, ein klein wenig fauligen Geruch der Themse und den tutenden Sirenen der Schlepper. »Da, das Haus dort ist es.«
Er parkte den MG, stellte den Motor ab und lehnte sich zurück, um die Fassade des großen, ehrwürdigen alten Reihenhauses staunend zu betrachten. »Das ist es?«
»Ja. Ich weiß, die Geländer müßten dringend neu lackiert werden, aber wir haben noch keine Zeit dazu gehabt. Und es ist natürlich viel zu groß für uns, aber wir wohnen nicht allein darin. Komm, ich zeige dir alles.«
Sie nahm ihre Umhängetasche und ihre Pelzjacke und half ihm dabei, das Verdeck zu schließen, falls es regnen würde. Als sie damit fertig waren, nahm er seine Reisetasche und wartete nicht ohne eine gewisse Vorfreude darauf, daß Penelope ihn die eindrucksvolle, von Säulen flankierte Eingangstreppe hinaufführen, ihren Schlüssel nehmen und ins Haus lassen würde, und er war ein bißchen enttäuscht, als sie statt dessen ein Stück weiterging, eine schmiedeeiserne Pforte öffnete und die Stufen zum Souterraineingang hinunterlief. Er folgte ihr, machte die Pforte hinter sich zu und sah, daß es ganz und gar nicht aussah wie ein schäbiger Dienstboteneingang. Die Wände waren weiß getüncht, und neben der Tür stand eine knallrote Mülltonne, und rings um den kleinen Vorplatz waren große und kleine Blumentöpfe aus Ton verteilt, die im Sommer zweifellos eine
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