Die Muschelsucher
alles gemacht. Früher oder später.«
»Aha.« Dolly erlaubte sich ein kleines verständnisvolles Lachen. »Das klingt alles sehr amüsant. Ein Künstlerhaushalt. Und ich hoffe, daß ich bald das Vergnügen haben werde, Ihre Eltern kennenzulernen. Hm. Und nun zu morgen. Was werden Sie zur Hochzeit anziehen?«
»Ich weiß nicht.«
»Sie wissen es nicht?«
»Ich hab noch nicht darüber nachgedacht. Irgendwas.«
»Aber Sie müssen es besorgen!«
»Oh, um Gottes willen, nein. Ich brauche nichts zu kaufen. Wir haben in der Oakley Street jede Menge zum Anziehen. Ich werde schon etwas finden.«
»Sie werden schon etwas finden.«
Penelope lachte. »Ich fürchte, ich gebe nicht viel auf Kleider. Wir tun es alle nicht. Und wir werfen alle nie etwas fort. Sophie hat ein paar sehr hübsche alte Sachen im Schrank, ich meine, Sachen, die sie nicht mehr anzieht. Elizabeth Clifford und ich werden nachher ein bißchen herumwühlen.« Sie sah Ambrose an. »Mach kein so ängstliches Gesicht, Ambrose. Ich werde dir bestimmt keine Schande machen.«
Er lächelte schwach. Dolly sagte sich, daß der arme Junge einem von Herzen leid tun konnte. Er und dieses außergewöhnliche Mädchen, das er kennengelernt und zu heiraten beschlossen hatte, hatten keinen einzigen liebevollen Blick gewechselt, sich kein einzigesmal zärtlich berührt oder rasch geküßt. Waren sie ineinander verliebt? Konnten sie überhaupt ineinander verliebt sein, wenn sie so kumpelhaft miteinander umgingen? Warum heiratete er sie, wenn er nicht bis über beide Ohren in sie verliebt war? Warum heiratete er.
Plötzlich fiel ihr eine Möglichkeit ein, die zu schrecklich war, um zuzutreffen, so undenkbar, daß sie sich zwang, den Gedanken beiseite zu drängen.
Aber er wollte sich nicht beiseite drängen lassen. »Ambrose hat gesagt, daß Sie Sonntag nach Hause fahren wollen.«
»Ja.«
»Sie haben Urlaub?«
Ambrose fixierte Penelope angestrengt, um ihren Blick auf sich zu ziehen. Dolly bemerkte es, aber Penelope offenbar nicht. Sie saß da und wirkte vollkommen locker und natürlich. »Ja. Einen Monat.«
»Werden Sie dann auf der Wal-Insel bleiben?« Ambrose fing an, mit der Hand herumzufuchteln, und hielt sich schließlich, als ob ihm nichts besseres damit zu tun einfiel, den Mund zu.
»Nein. Sie werden mich entlassen.« Ambrose stieß einen langen Seufzer aus. »Ent... Für immer?«
»Ja.«
»Ist das üblich?« Sie war sehr stolz, daß sie es immer noch schaffte zu lächeln, aber ihre Stimme war wie ein Messer. Penelope lächelte ebenfalls. »Nein«, antwortete sie. Ambrose war offensichtlich zu dem Schluß gekommen, daß die Situation nur noch schlimmer werden könne, und sprang auf. »Warum gehen wir nicht in den Speisesaal? Ich habe einen Mordshunger.«
Dolly faßte sich, langte gemessen nach ihrer Handtasche und nahm die weißen Handschuhe. Sie stand auf und schaute auf die künftige Frau ihres Sohnes hinunter, die dunklen Augen, die unfrisierte Mähne, die ganze schlichte Erscheinung. Sie sagte: »Ich weiß nicht, ob sie Penelope hineinlassen werden. Sie scheint keine Strümpfe anzuhaben.«
»Oh, um Gottes willen, sie werden es überhaupt nicht bemerken.« Seine Stimme war zornig und ungeduldig, aber Dolly lächelte vor sich hin, denn sie wußte, daß sein Zorn nicht ihr galt, sondern Penelope, weil sie die Katze aus dem Sack gelassen hatte. Sie ist schwanger, sagte sie sich, während sie den beiden durch den Salon zum Speisesaal voranging. Sie wollte ihn sich angeln und hat ihn hereingelegt. Er liebt sie nicht. Sie zwingt ihn, sie zu heiraten. Nach dem Lunch entschuldigte sie sich. Sie wolle auf ihr Zimmer und sich kurz hinlegen. Ein dummer kleiner Migräneanfall, erklärte sie Penelope mit einem kaum wahrnehmbaren Vorwurf in der Stimme. Ich muß sehr vorsichtig sein, die kleinste Aufregung. Penelope blickte ein wenig ratlos, weil der Lunch alles andere als aufregend gewesen war, aber sie drückte Verständnis aus, sie würden sich ja morgen auf dem Standesamt sehen, es sei ein köstliches Essen gewesen, vielen Dank. Dolly betrat den vorsintflutlichen Lift und glitt wie ein Vogel im Käfig nach oben.
Sie schauten ihr nach. Als Ambrose annahm, daß sie außer Hörweite war, drehte er sich zu Penelope. »Warum zum Teufel hast du es ihr sagen müssen?«
»Was? Daß ich schwanger bin? Ich habe es nicht gesagt. Sie hat es erraten.«
»Du hättest ihr keinen Grund geben müssen, es zu erraten.«
»Sie wird es früher oder später doch erfahren. Warum
Weitere Kostenlose Bücher