Die Muschelsucher
aufgegabelt hatte, sondern die Tochter gutsituierter, wenngleich unkonventioneller Eltern. Eltern, die nicht nur ein Haus, sondern zwei hatten. Das Haus in der Oakley Street war phantastisch, und ein Sommersitz in Cornwall war entschieden ein zusätzlicher Bonus. Er sah sich schon in einem Segelboot durch die Heiford Passage kreuzen. Und außerdem bestand sogar die Möglichkeit, einen Viereinhalbliter-Bentley zu erben. Nein. Er hatte das Richtige getan. Wenn seine Mutter den ersten Schreck über Penelopes Schwangerschaft überwunden hatte, konnte nichts mehr passieren. Außerdem war Krieg. Er konnte jeden Augenblick richtig losgehen, und er würde wahrscheinlich sehr lange dauern, und sie würden sich nicht oft sehen, geschweige denn unter einem Dach wohnen, ehe er vorbei war. Ambrose rechnete felsenfest damit, daß er mit heiler Haut davonkommen würde. Er hatte keine sehr lebhafte Phantasie und wurde nicht von Alpträumen über Maschinenraumexplosionen oder ein nasses Grab im eisigen Wasser des Atlantiks heimgesucht. Und wenn der Krieg vorbei war, würde er wahrscheinlich mehr Neigung als jetzt verspüren, seßhaft zu werden und den Familienvater zu spielen. Er verlagerte sein Gewicht auf der harten und unbequemen Bank. Erst jetzt bemerkte er die Liebespärchen, die nur wenige Meter von ihm entfernt eng umschlungen im Gras lagen. Und ihn auf eine fabelhafte Idee brachten. Er stand auf und ging zum Wagen zurück, verließ den Park, fuhr um den Marble Arch und erreichte die stillen Straßen von Bayswater. Er pfiff leise vor sich hin.
Champagner wirkt nicht bei mir,
Ich geh nicht viel auf Alkohol,
Sag mir also, woher es kommt...
Er hielt vor einem hohen schäbigen Haus und ging die Souterraintreppe zu einem winzigen Vorplatz mit blühenden Topfpflanzen hinunter. Er läutete an der gelb lackierten Tür. Er konnte natürlich Pech haben, aber nachmittags um vier war sie gewöhnlich zu Haus, hielt einen Mittagsschlaf, hantierte in ihrer winzigen Küche oder las eine Illustrierte. Er hatte Glück. Sie öffnete, und sie hatte nur ein dünnes Neglige an, das ihren üppigen Busen eher betonte als verbarg. Ihr blondes Haar war zerzaust. Angie. Sie hatte ihn, als er siebzehn war, sehr umsichtig in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht, und er war seitdem immer wieder zu ihr geflüchtet, wenn er Probleme hatte.
»Oh!« Sie machte große Augen und strahlte über das ganze Gesicht. »Ambrose!«
Kein Mann hätte sich eine schönere Begrüßung wünschen können.
»Es ist eine Ewigkeit her, seit du zuletzt da warst. Ich dachte, du schwimmst schon längst irgendwo auf dem Ozean.« Sie streckte einen molligen rosigen Arm aus. »Bleib nicht in der Tür stehen. Komm rein.«
Er tat es.
Als Penelope die Haustür geöffnet hatte und durch die Windfangtür in die Diele trat, beugte Elizabeth Clifford sich oben im ersten Stock über das Treppengeländer und rief ihren Namen. Penelope ging hinauf.
»Wie ist es gegangen?«
»Nicht sehr gut.« Penelope lächelte breit. »Sie gehört zur schlimmsten Sorte. Hut und Handschuhe und all das und außer sich vor Entrüstung, daß ich keine Strümpfe anhatte. Sie sagte, sie würden uns deshalb nicht in den Speisesaal lassen, aber sie haben es natürlich getan.«
»Hat sie herausgefunden, daß du ein Kind erwartest?«
»Ja. Ich habe es nicht gesagt, aber sie hat zwei und zwei zusammengezählt. Ich konnte sehen, wie es ihr auf einmal dämmerte. Ich finde es so am besten. Ambrose war wütend, aber sie kann es ebensogut schon jetzt wissen.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Elizabeth, aber sie hatte Mitleid mit der armen Frau. Junge Leute, auch Penelope, konnten schrecklich herzlos und direkt sein. »Möchtest du eine Tasse Tee oder etwas anderes zu trinken?«
»Gern, aber nicht jetzt. Hör zu, ich muß unbedingt etwas finden, was ich morgen anziehen kann. Hilf mir bitte.«
»Ich hab in weiser Voraussicht schon ein bißchen in meinem alten Schrankkoffer gekramt.« Elizabeth ging ihr voran ins Schlafzimmer, wo ein großer Haufen zerknitterter Kleidungsstücke, einige davon offenbar schon sehr abgetragen, auf dem breiten Doppelbett lag, das sie mit Peter teilte. »Ich finde, dies hier ist ganz hübsch. Ich hatte es mal für Hurlingham gekauft. Ich glaube, es war 1921. Als Peter seine Cricketphase hatte.« Sie nahm ein Kleid aus cremefarbenem, sehr feinem Leinen mit tief angesetzter Taille und Hohlsaumnähten von dem Haufen. »Es sieht ein bißchen mitgenommen aus, aber ich könnte es bis
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