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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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jetzt noch ein junger Mann da ist und Antonia sich anscheinend ein bißchen mit ihm angefreundet hat. Noel mußte schon immer Hahn im Korb sein, aber ich glaube, diesmal hat er nicht aufgepaßt, und ein anderer ist ihm zuvorgekommen.«
    »Noch ein junger Mann? Redest du von dem Gärtner?«
    »Ja. Von Danus. Ein so lieber Junge.«
    Nancy war schockiert. »Du willst sagen, Antonia hat mit dem Gärtner angebändelt?«
    Ihre Mutter lachte nur. »O Nancy, du müßtest dein Gesicht sehen! Du darfst nicht solch ein Snob sein, und du solltest mit deinem Urteil warten, bis du den jungen Mann kennengelernt hast.« Aber Nancy war nicht überzeugt. Was ging hier vor? »Hoffentlich verbrennen sie nicht irgend etwas, was du behalten möchtest.«
    »Nein. Noel macht seine Sache wirklich sehr gut. Er schickt Antonia alle paar Augenblicke her, um mich zu holen, und dann muß ich nach oben und meine Meinung abgeben. Wir hatten einen kleinen Streit wegen eines wurmstichigen alten Sekretärs. Noel sagte, er solle verbrannt werden, aber Danus antwortete, er sei viel zu gut, um ins Feuer zu wandern, und man könne etwas gegen die Holzwürmer machen. Also sagte ich, wenn er das könne und den Sekretär haben wolle, dürfe er ihn behalten. Noel war nicht sehr erbaut.
    Er zog ein Gesicht und ging wieder nach oben, ohne ein weiteres Wort zu sagen, aber das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, daß wir uns entscheiden, wo wir essen. Ich glaube hier, ja? Du kannst mir beim Tischdecken helfen.«
    Sie taten es gemeinsam. Sie zogen den alten Kiefernholztisch aus und legten ein tiefblaues Leinentuch auf. Nancy holte Silber und Gläser aus dem Eßzimmer, und ihre Mutter faltete weiße Leinenservietten zu Schiffchen. Der i-Punkt des Ganzen war ein Topf rosa Geranien in einem geblümten Übertopf, den sie in die Mitte der Tafel stellte. Der Anblick war wunderhübsch, ein stilvoll gedeckter Tisch, der kein bißchen förmlich wirkte, und als Nancy zurückgetreten war und das Ergebnis begutachtete, staunte sie wieder einmal über das Talent ihrer Mutter, ein behagliches Ambiente zu schaffen und selbst den alltäglichsten Dingen einen visuellen Reiz zu geben. Nancy nahm an, es müsse irgendwie damit zusammenhängen, daß ihr Vater ein Künstler gewesen war, und dachte mißvergnügt an ihr eigenes Eßzimmer, das, egal wieviel Mühe sie sich gab, immer steif und unfreundlich wirkte.
    »So«, sagte Penelope. »Jetzt können wir nur noch warten, daß die Arbeiter kommen und essen. Setz dich solange hierher in die Sonne, ich schaffe schnell ein wenig Ordnung in der Küche und bringe dir dann etwas zu trinken. Was möchtest du? Ein Glas Wein? Einen Gin-Tonic?«
    Nancy sagte, sie hätte gern einen Gin-Tonic, und zog, allein im Wintergarten, ihre Kostümjacke aus und blickte sich aufmerksam um. Als ihre Mutter ihnen zum erstenmal von ihrer Absicht erzählt hatte, einen Wintergarten anbauen zu lassen, hatten sie und George ihr nachdrücklich abgeraten. Es sei ein törichter Luxus, hatten sie erklärt, eine Extravaganz, die sie sich unmöglich leisten könne. Aber sie hatte den Rat ignoriert und den sonnigen und hellen Anbau in Auftrag gegeben. Jetzt, mit den blühenden Blumen, all dem Grün und der gemütlichen Wärme, die darin herrschte, war es ein beneidenswerter kleiner Platz, wie Nancy zugeben mußte, aber sie hatte nie herausfinden können, was er gekostet hatte. Womit sie natürlich wieder bei der ärgerlichen Geldfrage war. Als ihre Mutter ordentlich frisiert, das Gesicht frisch gepudert und nach ihrem besten Parfüm duftend zurückkam, hatte Nancy sich in dem bequemsten Korbsessel niedergelassen und fragte sich, ob dies wohl der richtige Moment sei, um die beiden Bilder zur Sprache zu bringen, und sie probierte sogar schon stumm ein paar taktvoll einleitende Sätze aus, aber Penelope kam alldem zuvor, indem sie das Gespräch in eine ganz andere und völlig unerwartete Richtung lenkte. »Da bin ich wieder. Ein Gin-Tonic. Ich hoffe, er ist stark genug.« Für sich selbst hatte sie ein Glas Wein mitgebracht. Sie zog sich einen anderen Sessel heran, ließ sich hineinsinken, streckte die Beine aus und wandte das Gesicht den wärmenden Strahlen der Sonne zu. »Oh, Ist das nicht herrlich? Übrigens, was macht deine Familie heute?« Nancy berichtete.
    »Der arme George. Muß ziemlich anstrengend sein, den ganzen Tag mit einem Dutzend spitznasiger Pfarrer eingesperrt zu sitzen. Und wer sind die Wainwrights? Habe ich sie je gesehen? Es ist sehr gut, daß die

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