Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
Mutter ihr dieses Schuldgefühl vermittelte.
    So fand Noel die beiden. Wenn Nancy einen sehr guten Morgen gehabt hatte, Noel hatte einen ausgesprochen unangenehmen gehabt. Das Gerumpel auf dem Speicher zu sichten und zu sortieren, war eine Sache gewesen, weil er unterschwellig überzeugt gewesen war, etwas sehr Wertvolles zu entdecken. Aber die Tatsache, daß er nichts gefunden hatte, hatte die Plackerei von heute morgen zu einem Alptraum gemacht. Außerdem hatte ihn das Äußere des Gärtners etwas aus der Fassung gebracht. Er hatte einen begriffsstutzigen, muskelbepackten Jungen vom Land erwartet und war dann auf einmal vor einem reservierten und wortkargen jungen Mann gestanden, der ihn mit seinen klaren blauen Augen kühl, fast herausfordernd musterte. Seine Laune hatte sich auch nicht gebessert, als er feststellte, daß Antonia diesen Kerl, diesen Danus, offenbar auf Anhieb sympathisch fand, und das fortwährende Geplapper, das er hörte, während sie die Kartons und die ramponierten Kleinmöbel die schmale Stiege hinuntertrugen, war ihm zunehmend auf die Nerven gegangen. Die Auseinandersetzung wegen des wurmstichigen alten Sekretärs hätte das Faß beinahe zum Überlaufen gebracht, und um Viertel vor eins, als der Speicher mehr oder weniger leergeräumt war und der Rest an der Dachschrägung bei der Luke zum Abtransport bereitstand, hatte er die Nase voll. Und er war verdammt schmutzig. Er mußte dringend duschen, aber noch wichtiger war jetzt ein Drink, so daß er sich nur rasch Gesicht und Hände wusch, nach unten ging und sich einen gewaltigen trockenen Martini mixte. Er ging mit dem Glas durch die Küche in den sonnendurchfluteten Wintergarten, und der Anblick seiner Mutter und seiner Schwester, die es sich in Korbsesseln bequem gemacht hatten und so aussahen, als hätten sie den ganzen Tag keinen Finger krumm gemacht, machte ihn noch gereizter, als er ohnehin war. Beim Geräusch seiner Schritte blickte Nancy auf. Sie lächelte strahlend, als freue sie sich diesmal ausnahmsweise, ihn zu sehen. »Hallo, Noel!«
    Er erwiderte das Lächeln nicht, sondern lehnte sich an die Türfassung und betrachtete die beiden. Seine Mutter schien eingenickt zu sein.
    »Also, so was! Ihr sitzt hier in der Sonne, während andere sich einen krummen Buckel holen vor lauter Arbeit.«
    Penelope zuckte nicht mit der Wimper. Nancys Lächeln gefror und wurde maskenhaft. Noel ließ sich endlich zu einem halbwegs freundlichen Nicken herab. »Hi«, sagte er, zog sich einen Stuhl von dem hübsch gedeckten Tisch heran und setzte sich mit einem erleichterten Stöhnen. Seine Mutter machte die Augen auf. Sie hatte nicht geschlafen.
    »Seid ihr fertig?«
    »Ja, ich jedenfalls. Total fertig. Ich bin leider nicht zum Möbelpacker geboren.«
    »Ich meine nicht dich. Ich meine den Speicher.«
    »So gut wie. Wir brauchen nur noch eine fleißige Hausfrau, die hochgeht und den Besen schwingt, und dann hat die liebe Seele Ruh!«
    »Noel, du bist ein Schatz. Was hätte ich bloß ohne dich gemacht?« Aber ihr dankbares Lächeln löste keine Reaktion aus. »Ich sterbe vor Hunger«, sagte er. »Wann gibt’s Essen?«
    »Wann du möchtest.« Sie stellte ihr Weinglas hin und setzte sich kerzengerade auf, um über die Pflanzen hinweg in den Garten zu spähen. Von dem Feuer waberte immer noch Rauch hoch, aber sie sah die beiden anderen nicht. »Wenn einer von euch hinausgehen würde, um Danus und Antonia Bescheid zu sagen? Ich gehe dann rasch und mache die Soße.«
    Es entstand eine Pause. Noel wartete darauf, daß Nancy diese nicht allzu anstrengende Pflicht übernehme, aber sie war damit beschäftigt, einen winzigen Flusen von ihrem Rock zu schnippen, und tat so, als hätte sie nichts gehört. Noel sagte: »Ich hab nicht mehr die Kraft dazu.« Er lehnte sich zurück und kippte seinen Stuhl dabei nach hinten. »Geh du, Nancy, ein bißchen Bewegung wird dir guttun.« Es gelang ihm erwartungsgemäß, sie mit der Anspielung auf ihre rundliche Figur zu kränken. »Wie taktvoll du bist«, sagte sie spitz. »Du siehst nicht aus, als hättest du heute morgen schon viel getan.«
    »Nur weil ich mich anständig angezogen habe, ehe ich zum Lunch hergekommen bin?« Sie blickte vielsagend in seine Richtung. »Was man von dir nicht gerade sagen kann.«
    »Was zieht George denn sonntags zum Mittagessen an? Einen Cut?«
    Nancy richtete sich kampfbereit auf. »Wenn das komisch sein soll.«
    Sie fuhren fort, aufeinander herumzuhacken, und Penelope, die sich noch allzu gut

Weitere Kostenlose Bücher