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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Pullover über einem blauen Hemd, dessen Kragen hochgeschlagen war. Seine Augen, die vom selben Blau waren wie das Hemd, lagen tief in einem gebräunten, wettergegerbten Gesicht.
    Er sagte: »Ein schöner Tag heute, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Haben Sie einen Spaziergang gemacht?«
    »Nur hinunter zur Brücke.«
    »Sie müssen Antonia sein.«
    »Ja.«
    »Mrs. Keeling hat mir erzählt, daß Sie kommen.«
    »Und wer sind Sie?«
    »Der Gärtner. Danus Muirfield. Ich bin heute außer der Reihe gekommen, um den Speicher ausräumen zu helfen und die Sachen zu verbrennen, die Mrs. Keeling nicht mehr braucht.« Die Schubkarre enthielt einige Kartons und alte Zeitungen, und schräg darüber lag eine lange Heugabel. Er nahm sie und fing an, die feuchte Asche des letzten Feuers zur Seite zu räumen, um ein Stück trockenen Boden freizulegen.
    »Sie werden einen ganzen Berg von Sachen verbrennen müssen«, sagte Antonia. »Ich bin gestern auf dem Dachboden gewesen und habe es gesehen.«
    »Das macht nichts, wir haben ja den ganzen Tag Zeit.« Es gefiel ihr, daß er »wir« sagte. Er schien sie einzuschließen, während Noel ihr schüchternes Angebot, ihm zu helfen, ziemlich kühl abgelehnt hatte. Es gab ihr das Gefühl, dazuzugehören und willkommen zu sein.
    »Ich habe noch nicht gefrühstückt, aber wenn ich es getan habe, komme ich und helfe Ihnen.«
    »Mrs. Keeling ist in der Küche und kocht Eier.« Antonia lächelte. »Ich habe gehofft, daß es ein gekochtes Ei geben wird.«
    Aber er erwiderte das Lächeln nicht. »Dann gehen Sie jetzt am besten und frühstücken Sie«, sagte er. Er trieb die Heugabel in die schwarze Erde und drehte sich um, um einige alte Zeitungen aus der Schubkarre zu nehmen. »Mit leerem Magen kann man keine schwere Arbeit tun.«
    Nancy Chamberlain fuhr, die in Schweinslederhandschuhen steckenden Hände fest um den Lenkradkranz gelegt, durch die lieblichen Cotswold Hills nach Podmore’s Thatch, zum Sonntagsessen bei ihrer Mutter. Sie war ausgesprochen guter Laune, und zu dieser Hochstimmung trugen verschiedene Faktoren bei. Einer davon war das überraschend schöne Wetter, der strahlend blaue Himmel, der sich nicht allein auf sie, sondern auch auf ihre Familie ausgewirkt hatte, denn die Kinder hatten sich beim Frühstück ausnahmsweise einmal nicht gezankt. George hatte ein paar launige Bemerkungen gemacht, während er seine Sonntagmorgenwürstchen verzehrte, und Mrs. Croftway hatte sich sogar freiwillig erboten, die Hunde am Nachmittag auszuführen.
    Da sie heute kein großes Essen auf den Tisch bringen mußte, hatte sie genug Zeit für alles gehabt. Zeit, um sich sorgfältig zurechtzumachen (sie hatte ihr bestes Kostüm an und die Crepe-de-Chine-Bluse mit der Halsschleife); Zeit, um Melanie und Rupert zu den Wainwrights zu bringen; Zeit, um George beim Aufbruch zu seiner Kirchenbesprechung mit einem Winken zu verabschieden; sogar Zeit, um zum Gottesdienst zu gehen. Wenn Nancy zum Gottesdienst ging, kam sie sich immer fromm und gut vor, so wie sie sich wichtig und bedeutend vorkam, wenn sie an Ausschußsitzungen teilnahm. Heute morgen wurde sie also ihrem Selbst-Image gerecht. Sie war eine tüchtige und gut organisierte Anwaltsfrau vom Land, deren Kinder den Tag über bei akzeptablen Freunden eingeladen waren, während sie ihre leidende Mutter besuchte und ihr Mann wichtigen Verpflichtungen nachging und das Haus von treu ergebenen Dienstboten versorgt wurde.
    All das erfüllte sie mit einem ungewohnten Selbstvertrauen, in das sich eine gehörige Portion Stolz mischte, und während sie durch das hügelige Land fuhr, legte sie sich gründlich zurecht, was sie im Lauf des Nachmittags tun und sagen würde. Wenn sie mit ihrer Mutter allein war, vielleicht beim Kaffee, würde sie in einem passenden Augenblick die Bilder von Lawrence Stern zur Sprache bringen. Die enorme Summe erwähnen, die Die Wasserträgerinnen gebracht hatten, und darauf hinweisen, wie kurzsichtig es wäre, die Gunst der Stunde nicht zu nutzen, solange die Preise auf diesem hohen Niveau verharrten. Sie stellte sich vor, wie sie es ihrer Mutter ganz ruhig und mit überzeugenden Argumenten vor Augen führte und keinen Zweifel daran ließ, daß sie nur ihr Bestes im Auge hatte. Verkaufen. Natürlich nur die Tafelbilder, die vor Penelopes Schlafzimmer im Flur hingen, wo sie kein Mensch bemerkte, geschweige denn würdigte. Nicht Die Muschelsucher. Es kam wohl nicht in Frage, dieses Bild fortzugeben, das ihre Mutter so liebte und das so

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