Die Muschelsucher
und bückte sich, um die Pullover aufzuheben. Antonia stand von der Karre auf, und er legte ihr ihren Pullover um die Schultern und band die Ärmel unter ihrem Kinn zusammen. Dann kamen sie, beide groß und schlank und braungebrannt und jung und in Penelopes Augen wunderschön, Seite an Seite zwischen den Bäumen die Obstwiese hoch.
Sie war auf einmal von Dankbarkeit erfüllt. Nicht bloß Dankbarkeit für all die harte Arbeit, die sie heute morgen geleistet hatten, sondern auch Dankbarkeit dafür, daß sie da waren. Sie hatten ihr, ohne ein Wort zu sagen, ihre innere Ruhe wiedergegeben und ihre Werte bestätigt, und sie dankte dem Schicksal (oder war es Gott? Sie wünschte, sie hätte sicher sein können.) dafür, daß es die beiden wie eine zweite Chance in ihr Leben gebracht hatte.
Man mußte Noel der Gerechtigkeit halber zugute halten, daß seine Launen nur von kurzer Dauer waren. Als die kleine Gesellschaft sich endlich im Wintergarten versammelte, hatte er seinen zweiten Martini in der Hand - er hatte auch seiner Schwester einen neuen Gin-Tonic gemacht - , und Penelope registrierte erleichtert, daß sie sich nun ganz freundschaftlich miteinander unterhielten. »Ich glaube, jetzt sind wir vollzählig. Nancy, du hast Danus noch nicht kennengelernt, und Antonia auch noch nicht. Meine Tochter, Nancy Chamberlain. Noel, du bist doch für die Bar verantwortlich. wenn du den beiden etwas zu trinken geben würdest. Und vielleicht könntest du dann in die Küche kommen und die Lammkeule tranchieren.«
Noel stellte sein Glas hin und stemmte sich mit einem hörbaren Ächzen aus dem Sessel. »Was hätten Sie gern, Antonia?«
»Ein Bier wäre herrlich.« Sie stand am Tisch, und ihre Beine wirkten schier endlos lang in den verwaschenen Jeans. Wenn Melanie, Nancys Tochter, Jeans trug, sah sie abscheulich aus, weil ihr Gesäß so breit war. Aber Antonia standen die Jeans phantastisch. Nancy fand das Leben wieder einmal sehr ungerecht. Sie fragte sich, ob sie Melanie einen Schlankheitskurs verordnen solle, verwarf den Gedanken aber sofort wieder, weil Melanie automatisch immer das Gegenteil von dem tat, was sie vorschlug.
»Und Sie, Danus?«
Der großgewachsene junge Mann schüttelte den Kopf. »Am liebsten etwas ohne Alkohol. Einen Orangensaft oder ein Glas Wasser. «
Noel protestierte, aber Danus bestand darauf, so daß er achselzuckend ins Haus ging. Nancy wandte sich zu Danus. »Trinken Sie nie?«
»Keinen Alkohol.« Er sah sehr gut aus. Er sprach anständig. Gute Familie. Sehr ungewöhnlich. Warum übte er diesen Beruf aus und grub die Beete anderer Leute um? »Haben Sie noch nie getrunken?«
»Nein, nicht richtig, Mrs. Chamberlain«, erwiderte er sehr gelassen.
»Mögen Sie Alkohol nicht?« bohrte Nancy nach, denn sie fand es absolut bemerkenswert, einen jungen Mann kennenzulernen, der nicht einmal nach einer anstrengenden Arbeit ein Glas Bier trinken wollte.
Er schien zu überlegen, sagte dann: »Ja, vielleicht ist das der Grund.« Er blickte sehr ernst, aber Nancy hatte trotzdem das dunkle Gefühl, daß er sich über sie lustig machte. Sie hatten den zarten Lammbraten, die gebackenen Kartoffeln, die Erbsen und den Broccoli gegessen, sich Wein nachschenken lassen und nahmen nun das Zitronensouffle in Angriff. Die Atmosphäre hatte sich wieder entspannt, und das Gespräch drehte sich um die Frage, wie sie den Rest des Tages verbringen sollten. »Ich mache Schluß für heute und fahre zurück nach London«, erklärte Noel, während er zu einem rosa und weißen Krug griff und Sahne auf seine Erdbeertorte schüttete. »Auf diese Weise komme ich wenigstens nicht in den Sonntagabendverkehr. Wenn ich Glück habe.«
»Ja, ich finde auch, das solltest du tun«, pflichtete seine Mutter ihm bei. »Du hast wirklich genug gearbeitet. Du bist sicher erschöpft. «
»Was ist jetzt noch zu tun?« fragte Nancy.
»Oben sind noch ein paar Sachen, die verbrannt werden müssen, und dann muß nur noch gefegt und aufgewischt werden.«
»Das mache ich«, sagte Antonia schnell.
Nancy hatte etwas anderes im Sinn. »Was ist mit dem Gerumpel draußen vor der Haustür? Den Bettstellen und dem alten Kinderwagen. Sie können nicht ewig da liegenbleiben. Podmore’s Thatch sieht ja aus wie ein Zigeunerlager.«
In dem nun entstehenden Schweigen warteten alle darauf, daß jemand anders einen Vorschlag machte. Dann sagte Danus: »Wir könnten es zur Müllkippe in Pudley bringen.«
»Wie?« fragte Noel.
»Wenn es Mrs. Keeling recht ist,
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