Die Muschelsucher
könnten wir es hinten in ihren Wagen laden.«
»Natürlich ist es mir recht.« Noel fragte: »Und wann?«
»Heute nachmittag.«
»Ist die Müllkippe denn sonntags geöffnet?«
»Mein Gott, ja«, versicherte Penelope ihm. »Sie ist immer geöffnet. Ein netter alter Mann ist für sie zuständig, und er wohnt in einer Art Schuppen neben dem Eingang. Das Tor ist immer offen.« Nancy war entsetzt. »Du meinst, er wohnt dort? In einem Schuppen an der Müllkippe? Was sagt die Gemeinde dazu? Es muß schrecklich unhygienisch sein.«
Penelope lachte. »Ich glaube nicht, daß er zu den Leuten gehört, die sich um Hygiene kümmern. Er ist beängstigend schmutzig und unrasiert, aber sehr freundlich. Wir hatten mal einen Müllkutscherstreik und mußten all unseren Müll selbst hinbringen, und er war unglaublich hilfsbereit.«
»Aber. «
Sie wurde jedoch von Danus unterbrochen, was sie und die anderen um so mehr überraschte, als er beim Essen kaum ein Wort gesagt hatte.
»Bei dem kleinen Ort in Schottland, in dem meine Großmutter lebt, gibt es eine Müllkippe, auf der ein alter Penner seit ungefähr dreißig Jahren wohnt.« Er fügte hinzu: »In einem Kleiderschrank.«
»Er wohnt in einem Kleiderschrank?« Nancys Stimme klang entsetzter denn je. »Ja, es ist ein ziemlich großer Kleiderschrank. Viktorianisch.«
»Aber das ist doch furchtbar beengt.«
»Ja, das sollte man meinen. Er scheint sich aber sehr wohl zu fühlen. Er ist ein Original und wird von allen respektiert. Läuft das ganze Jahr in Gummistiefeln und einem alten Regenmantel herum. Die Leute geben ihm Tee und Marmeladenbrote, wenn er vorbeikommt. «
»Und was macht er abends?« Danus schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Warum interessierst du dich so dafür, was er abends macht?« wollte Noel wissen. »Ich meine, seine ganze Existenz ist doch ohnehin so deprimierend, daß es kaum noch etwas ausmacht, wie er seine Abende verbringt.«
»Na ja, es muß furchtbar langweilig sein. Ich meine, er hat doch offensichtlich kein Fernsehen und kein Telefon.« Nancy verstummte, während sie sich all diese Entbehrungen vorstellte. Noel schüttelte den Kopf und hatte den gereizten Gesichtsausdruck, den Nancy nur allzu gut in Erinnerung hatte. So hatte er ausgesehen, als er ein neunmalkluger kleiner Junge war und versucht hatte, ihr die Regeln irgendeines dummen Kartenspiels beizubringen.
»Bei dir ist wirklich Hopfen und Malz verloren«, erklärte er, und sie fiel in ein beleidigtes Schweigen. Noel wandte sich Danus zu. »Kommen Sie aus Schottland?«
»Ja, meine Eltern leben in Edinburgh.«
»Was macht ihr Vater?«
»Er ist Rechtsanwalt.«
Nancys Neugier erwachte wieder und vertrieb den Ärger von eben. »Wollten Sie nie das gleiche werden?«
»Doch. Als ich noch zur Schule ging, dachte ich, ich würde vielleicht Jura studieren. Aber dann habe ich es mir anders überlegt.« Noel lehnte sich zurück. »Ich stelle mir immer vor, daß Schotten enorm sportlich sind. Niederwild jagen, Moorhühner schießen und angeln. Betreibt Ihr Vater irgendeinen Sport?«
»Er angelt und spielt Golf.«
»Ist er auch ein Ältester der Nationalkirche?« sagte Noel mit einem aufgesetzten schottischen Akzent, den Penelope als Gipfel der Geschmacklosigkeit empfand. »Heißt das bei Ihnen im hohen Norden nicht so?«
Danus ließ sich nicht provozieren. »Ja, er ist ein Ältester, und er ist ein Bogenschütze.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen. Klären Sie mich auf.«
»Ein Mitglied der Ehrenwerten Gesellschaft der Bogenschützen. Das ist die Leibwache der Königin, wenn sie nach Holyroodhouse kommt. Er zieht dann eine altertümliche Uniform an und sieht sehr eindrucksvoll aus.«
»Womit beschützt er die Königin? Mit Pfeil und Bogen?«
»Richtig.«
Die beiden Männer sahen sich einen Moment lang an. Dann bemerkte Noel abschließend: »Sehr interessant«, und nahm sich noch ein Stück Erdbeertorte.
Das Festessen wurde mit Kaffee und dicker heißer Schokolade beendet. Noel schob seinen Stuhl zurück, gähnte befriedigt und verkündete, er werde nach oben gehen und seine Sachen packen, ehe er in ein Koma falle. Nancy begann mit fahrigen Bewegungen, Tassen und Teller zu stapeln.
»Was wollen Sie jetzt machen?« fragte Penelope ihren Gärtner. »Wieder zum Feuer gehen?«
»Man braucht sich nicht weiter darum zu kümmern. Warum bringen wir die Sachen, die draußen liegen, nicht gleich zur Müllkippe? Ich lade sie in Ihren Wagen.«
Penelope antwortete erst nach einer kleinen
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