Die Muschelsucher
ungenügend versichert. Nancy hat recht. Wir wissen nichts über diesen seltsamen Menschen, den du als Gärtner beschäftigst, und selbst wenn wir alles wüßten, wäre es in Anbetracht der Umstände verrückt, weiter die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Verkauf die Bilder oder laß sie neu versichern, aber tu endlich was.«
»Ich habe das Gefühl, daß es dir sehr lieb wäre, wenn ich sie verkaufte.«
»Sprich bitte nicht so mit mir. Überleg mal wie ein vernünftiger Mensch. Ich spreche natürlich nicht von den Muschelsuchern, sondern von den Bildern auf Holz, die oben im Flur hängen. Jetzt, wo sie gute Preise erzielen. Stell fest, was die scheußlichen Nymphen wert sind, und verkauf sie auf einer Auktion.« Penelope, die die ganze Zeit gestanden hatte, setzte sich wieder hin. Sie stützte einen Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hand. Mit der anderen Hand griff sie nach dem Buttermesser und begann mit der stumpfen Seite der Klinge ein Muster in das rauhe Gewebe des tiefblauen Tischtuchs zu ziehen. Nach einer Weile fragte sie: »Was meinst du, Nancy?«
»Ich?«
»Ja, du. Was hast du zu meinen Bildern und meiner Versicherung und meinem Privatleben im allgemeinen zu sagen?« Nancy biß sich auf die Lippe, holte tief Luft und begann dann mit einer sehr klaren, etwas schrillen Stimme, als hielte sie eine Ansprache im Frauenverein, zu reden: »Ich finde. ich finde, Noel hat recht. George meint auch, du solltest deine Versicherung anpassen. Er sagte es, als er von der Versteigerung der Wasserträgerinnen gelesen hat. Aber die Prämie wäre natürlich ziemlich hoch. Und die Versicherungsgesellschaft könnte auf einer Alarmanlage bestehen. Sie muß schließlich an das kaufmännische Risiko denken.«
»Es klingt, als ob du George Wort für Wort zitierst«, sagte ihre Mutter, »oder als ob du mir etwas aus dem Kleingedruckten vorliest. Hast du keine eigene Meinung?«
»O doch«, sagte Nancy, wieder in normalem Ton. »Die habe ich. Ich meine, du solltest die Bilder oben im Flur verkaufen.«
»Und, sagen wir, eine Viertelmillion dafür bekommen?« Sie sagte es leichthin. Das Gespräch lief besser, als Nancy zu hoffen gewagt hatte, und sie fühlte, wie ihr vor Aufregung warm wurde. »Warum nicht?«
»Und was soll ich dann mit dem Geld tun?«
Sie sah Noel an. Er hob vielsagend die Schultern. Dann sagte er: »Das Geld, das man lebend verschenkt, ist doppelt so viel wert wie das, was man vererbt, wenn man tot ist.«
»Mit anderen Worten, ihr wollt es jetzt haben.«
»Das habe ich nicht gesagt, Ma. Ich verallgemeinere. Aber sehen wir die Dinge, wie sie sind. Mit einem solchen Vermögen zu sterben, ist gleichbedeutend damit, der Regierung die Hälfte zu schenken. Ich denke an die Erbschaftssteuern.«
»Du meinst also, ich sollte es lieber euch schenken.«
»Na ja, du hast drei Kinder. Du könntest uns einen gewissen Teil davon geben, ihn auf uns verteilen. Und ein wenig für dich behalten, um dein Leben zu genießen. Das hast du nie tun können. Du mußtest immer nur an uns denken und hast kaum gewußt, wie du über die Runden kommen solltest. Du hast doch früher mit deinen Eltern oft Reisen gemacht. Du könntest wieder reisen. Nach Florenz fahren. Südfrankreich wiedersehen.«
»Und was würdet ihr beide mit all dem Geld tun?«
»Ich nehme an, Nancy würde es für ihre Kinder ausgeben. Und ich... ich würde mich beruflich verändern.«
»Was stellst du dir vor?«
»Nun, etwas Neues. Vielleicht würde ich mich selbständig machen. Warentermingeschäfte oder so etwas.« Er war wieder ganz sein Vater. Immerfort mit seinem Leben unzufrieden, neidisch auf andere, materialistisch und ehrgeizig und fest davon überzeugt, die Welt schulde ihm eine standesgemäße Existenz. Es war, als ob Ambrose mit ihr redete, und das veranlaßte sie schließlich, mehr als alles andere, die Geduld zu verlieren. »Warentermingeschäfte.« Es kostete sie Mühe, den Zorn aus ihrer Stimme fernzuhalten. »Du mußt von Sinnen sein. Du könntest ebensogut all dein Geld auf ein einziges Pferd setzen oder auf eine einzige Nummer beim Roulette. Du bist schamlos und habgierig, und manchmal kann ich nur Verzweiflung und Abscheu empfinden, wenn ich dich höre.« Noel öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen und hob die Stimme. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, es schert dich keinen Pfifferling, was mit mir geschieht oder mit meinem Haus oder mit den Bildern meines Vaters.
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