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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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sie seit ihrer Heirat immer hatte sparen und knausern und auf den Penny schauen müssen. Sie hatte anderen Leuten ihren Luxus nie mißgönnt, sie darum beneidet und war einfach dankbar dafür gewesen, daß sie ihre Kinder großziehen und auf gute Schulen schicken und trotzdem den Kopf über Wasser halten konnte. Erst nachdem sie das Haus in der Oakley Street verkauft hatte, hatte sie über nennenswerte Mittel verfügt und sie sogleich in Podmore’s Thatch und in sicheren Papieren angelegt, die ihr ein bescheidenes Einkommen garantierten, für die Dinge, die ihr am wichtigsten waren. Für Essen, Wein, für all das, was sie brauchte, um ihre Freunde zu bewirten. Dann für die Geschenke - bei denen sie außerordentlich großzügig war - und natürlich für ihren Garten.
    Jetzt konnte sie, wenn sie wollte, das ganze Haus vom Keller bis zum Dach renovieren und neu herrichten lassen. Alles, was sie trug, war abgenutzt und schäbig, aber sie mochte nun mal alte und erprobte Dinge. Der an mehreren Stellen eingedellte Volvo war acht Jahre alt, und sie hatte ihn gebraucht gekauft. Vielleicht sollte sie sich einen Rolls-Royce zulegen, aber der Volvo war - noch - völlig in Ordnung, und es wäre so etwas wie ein Sakrileg, den Kofferraum eines Rolls mit Torfsäcken und erdigen Töpfen mit Pflanzen für den Garten zu beladen.
    Also Kleider. Sie hatte jedoch, nicht zuletzt wegen des Krieges und der langen entbehrungsreichen Jahre danach, nie viel auf Kleider gegeben. Viele ihrer Lieblingssachen stammten vom Kirchenbasar in Temple Pudley, und das Deckscape einer Navy-Witwe hatte sie schon vierzig Winter lang warm gehalten. Sie könnte sich nun ohne weiteres einen Nerzmantel leisten, aber sie hatte schon immer etwas dagegen gehabt, etwas zu tragen, das aus vielen lieben, kleinen Pelztieren gefertigt war, die nur deshalb ihr Leben hatten lassen müssen, und sie wäre sich wie eine Närrin vorgekommen, wenn sie die Dorfstraße sonntags morgens in Nerz gehüllt hinunterspazieren würde, um die Zeitungen zu holen. Die Leute würden denken, sie sei nicht mehr ganz richtig im Kopf.
    Sie konnte reisen. Aber mit vierundsechzig mußte sie, obgleich sie sich vollkommen gesund fühlte, die Dinge so sehen, wie sie waren, und begreifen, daß es zu spät war, um allein durch die Welt zu fahren. Die Zeit der gemächlichen Autoreisen, des Blue Train, des Orientexpreß und der gemütlichen alten Passagierdampfer war vorbei, und den Gedanken an gesichtslose ausländische Flughäfen und enge Sitzreihen in Überschallflugzeugen hatte sie noch nie verlockend gefunden.
    Nein. Nichts von alldem. Im Augenblick würde sie gar nichts tun, nichts sagen, es niemandem erzählen. Mr. Brookner war gekommen und wieder fortgefahren, und kein Mensch wußte etwas von seinem Besuch. Es war besser, so weiterzuleben, als ob gar nichts passiert wäre - bis er wieder von sich hören ließ. Sie sagte sich, daß sie ihn fürs erste vergessen würde, aber sie stellte fest, daß es unmöglich war. Sie wartete jeden Tag darauf, daß er anrief. Jedesmal, wenn das Telefon klingelte, rannte sie zum Apparat wie ein aufgeregter Backfisch, der einen Anruf von einem Verehrer erwartete. Doch anders als der Backfisch geriet sie nicht in Angst und Sorge, als die Tage dahingingen und nichts geschah. Es gab immer ein Morgen. Sie hatte keine Eile. Früher oder später würde er sich melden.
    Inzwischen ging das Leben weiter, und der Frühling machte sich zunehmend bemerkbar. Auf der Obstwiese waren nun alle Narzissen aufgeblüht, und ihre gelben Blütentrompeten tanzten in der Brise. Die Bäume prangten im zarten Grün der jungen Blätter, und auf den windgeschützten Beeten am Haus öffneten Goldlack und Schlüsselblumen ihre samtenen Blüten und erfüllten die Luft mit ihrem nostalgischen Duft. Danus Muirfield hatte, nachdem er den Gemüsegarten säuberlich bepflanzt hatte, den Rasen zum erstenmal gemäht und war nun damit beschäftigt, die Rabatten zu hacken und zu harken und Torfmull unter die Erde zu mischen. Mrs. Plackett kam regelmäßig, begann ihre alljährliche Frühjahrsputz-Orgie und wusch sämtliche Schlafzimmervorhänge. Antonia hängte sie auf, und sie flatterten wie Banner an der Leine. Ihre Energie war grenzenlos, und sie übernahm dankbar jede Arbeit, die für Penelope zu anstrengend war, fuhr nach Pudley, um den großen Wocheneinkauf zu machen, oder räumte die kleine Speisekammer aus und scheuerte alle Regalböden. Wenn sie nicht im Haus beschäftigt war, fand man sie

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