Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
wahrnehmen mochte, wieviel er wußte. Aber sein unbewegtes Gesicht, sein Schweigen gaben nichts preis.
    Sie sagte: »Ich muß jetzt heim. Papa wird sich fragen, ob mir etwas passiert ist.«
    Er nickte, akzeptierte es. Sie würden einander auf Wiedersehen sagen und sich trennen. Sie würde ihren Weg fortsetzen. Er würde die Straße überqueren, den Gruß des Wachhabenden erwidern, die Stufen hinauflaufen und durch die Glastüren verschwinden, und sie würde ihn vielleicht nie wiedersehen. Sie sagte: »Möchten Sie nicht zum Essen kommen?« Er antwortete nicht gleich auf den Vorschlag, und einen furchtbaren Moment lang dachte sie, er würde ablehnen. Dann lächelte er. »Das ist sehr freundlich.« Erleichterung. »Heute abend?«
    »Sind Sie sicher?«
    »O ja. Papa würde Sie gern wiedersehen. Sie können das Gespräch von neulich fortsetzen.«
    »Sehr gut. Ich freue mich.«
    »Dann bis halb acht.« Es klang schrecklich steif. »Ich. Ich kann Sie einladen, weil wir heute ausnahmsweise etwas zu essen da haben.«
    »Lassen Sie mich raten. Makrelen und Dosenpfirsiche?« Die Steifheit und Zurückhaltung verschwanden. Sie lachten, und sie wußte, daß sie den Klang dieses Lachens nie vergessen würde, weil es ihr erstes gemeinsames Lachen gewesen war.
    Doris platzte fast vor Neugier. »He, was ist eigentlich los? Ich habe nichtsahnend in der Küche gesessen, und da kam plötzlich dieser umwerfende Sergeant und brachte deine Körbe. Ich habe ihm eine Tasse Tee angeboten, aber er sagte, er hätte keine Zeit. Wo hast du ihn aufgegabelt?« Penelope setzte sich an den Küchentisch und berichtete von der unerwarteten Begegnung. Doris lauschte, und ihre Augen wurden groß und rund wie Murmeln. Als Penelope ausgeredet hatte, stieß sie einen entzückten Schrei aus. »Wenn du mich fragst, würde ich sagen, es sieht ganz so aus, als ob du einen Verehrer hast.«
    »O Doris, ich hab ihn zum Abendessen eingeladen.«
    »Wann?«
    »Gleich heute.«
    »Kommt er?«
    »Ja.«
    Doris’ Begeisterung war wie weggeblasen. »Oh, verdammt.« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und bot ein Bild des Jammers. »Wieso verdammt?«
    »Ich werde nicht da sein! Ich gehe aus. Ich fahre mit Clark und Ronald nach Penzance rüber, der Operettenverein führt den Mikado auf.«
    »O nein. Ich habe so auf dich gezählt. Ich brauche jemanden, der mir hilft. Könnt ihr nicht ein andermal fahren?«
    »Nein, das geht nicht. Sie haben einen Bus bestellt, und es wird sowieso nur zweimal gegeben. Und die Jungs haben sich schon wochenlang darauf gefreut, die armen kleinen Teufel.« Ihr Gesicht nahm einen resignierten Ausdruck an. »Na ja, es ist nicht zu ändern. Ich werde dir beim Kochen helfen, ehe wir gehen, und ich bringe Nancy zu Bett. Aber ich bin sauer, daß ich es verpassen werde. Seit Jahren ist kein richtiger Mann mehr im Haus gewesen.«
    Penelope erwähnte Ambrose nicht. Statt dessen sagte sie: »Und Ernie? Er ist doch ein richtiger Mann.«
    »Ja. Er ist schon in Ordnung.« Aber der arme Ernie wurde verworfen. »Nur daß er nicht zählt.«
    Aufgeregt wie zwei Backfische vor der ersten Tanzstunde gingen sie an die Arbeit, putzten Gemüse, bereiteten einen Salat vor, brachten den alten Tisch im Eßzimmer auf Hochglanz, putzten rasch das selten benutzte Tafelsilber, wischten die Kristallweingläser aus. Lawrence wurde informiert und stemmte sich aus seinem Sessel, um vorsichtig in den Keller hinunterzugehen, wo er in glücklicheren Tagen seinen beträchtlichen Vorrat an guten französischen Weinen gelagert hatte. Es war nicht mehr viel übrig, aber er kam mit einer Flasche algerischer Tinte - wie er sich ausdrückte - und einer staubbedeckten Flasche Portwein zurück, die er mit äußerster Behutsamkeit dekantierte. Penelope wußte, daß er einem Gast keine größere Ehre erweisen konnte.
    Um fünf Minuten vor halb acht, als Nancy in ihrem Bett schlief, Doris und die beiden Jungen gegangen waren und alles vorbereitet war, was es vorzubereiten gab, ging sie rasch in ihr Zimmer hinauf, um sich etwas herzurichten. Sie zog eine saubere Bluse an, schlüpfte mit bloßen Füßen in ein Paar tiefroter Ballerinaschuhe, bürstete ihr Haar, flocht es, drehte es zu einer Rolle und steckte es fest. Sie hatte keinen Puder und keinen Lippenstift, und ihr letztes Parfüm war schon seit langem verbraucht. Ein langer und kritischer Blick in den Spiegel brachte kaum Befriedigung. Sie sah aus wie eine Gouvernante. Sie fand eine rote Glasperlenkette und band sie um, und während

Weitere Kostenlose Bücher