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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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abend - seit Richard Lomax’ Ankunft - hier bei ihnen gewesen, nicht tot, sondern lebendig, und sie saß noch jetzt auf dem leeren Stuhl am Ende des Tisches. Es war nicht leicht, einen plausiblen Grund für diese hartnäckige Illusion zu finden. Daß alles noch so war wie früher. Daß sich nichts geändert hatte. Obwohl in Wahrheit alles anders geworden war. Das Schicksal war grausam gewesen, hatte sie in den Krieg hineingezogen und ihre Familie zerrissen. Es hatte gewollt, daß Sophie und die Cliffords bei einem Bombenangriff ums Leben kamen. Vielleicht war es auch dafür verantwortlich, daß Penelope und Ambrose sich miteinander eingelassen und geheiratet hatten. Aber nein. Sie war es gewesen, die zugelassen hatte, daß er sie liebte und Nancy zeugte, und sie war es gewesen, die ihn schließlich geheiratet hatte. Im Rückblick bereute sie es nicht, ihn geliebt zu haben, denn sie hatte es ebenso genossen wie er, und sie bereute noch weniger, daß es Nancy gab, im Gegenteil, sie konnte sich das Leben ohne ihr wunderhübsches und liebes Kind nicht vorstellen. Was sie jedoch bereute, bitterlich bereute, war diese törichte unüberlegte Heirat. Du mußt ihn nicht heiraten, wenn du ihn nicht liebst, hatte Sophie gesagt, aber dieses eine Mal hatte sie Sophies Rat nicht befolgt. Ambrose war ihre erste Beziehung, und es gab niemanden, mit dem sie ihn vergleichen konnte. Die glückliche Ehe ihrer Eltern war keine Hilfe gewesen. Sie hatte geglaubt, alle Ehen seien so glücklich, und deshalb schien es eine gute Idee zu heiraten. Und als Ambrose seinen anfänglichen Ärger überwunden hatte, schien er es angesichts der Umstände ebenfalls für eine gute Idee zu halten. Also hatten sie das getan, was ihnen logisch erschien, und geheiratet. Ein schrecklicher, verhängnisvoller Fehler. Sie liebte ihn nicht. Hatte ihn nie geliebt. Sie hatte nichts mit ihm gemeinsam, und sie hatte nicht das geringste Verlangen, ihn jemals wiederzusehen. Sie schaute hinüber zu Richard Lomax, dessen beherrschtes Gesicht ihrem Vater zugewandt war. Ihr Blick senkte sich auf seine Hände, die er nun auf dem Tisch verschränkt hatte. Sie dachte daran, sie in die ihren zu nehmen und an ihre Wange zu drücken. Sie fragte sich, ob er ebenfalls verheiratet war. »Ich habe ihn nie kennengelernt«, sagte Lawrence gerade, »aber ich war immer der Meinung, er müsse ein sehr langweiliger Bursche sein.« Sie sprachen immer noch von Porträtisten. »Man hätte unerhörte Indiskretionen und skandalöse Dinge erwarten können. Er hatte gewiß mehr als genug Gelegenheit dazu. Aber er hat sich offenbar nie etwas zuschulden kommen lassen. Wissen Sie, Beerbohm hat einmal eine Karikatur von ihm gemacht, wie er aus dem Fenster auf eine lange Schlange von Damen der Gesellschaft hinunterblickt, die alle darauf warten, sich von ihm unsterblich machen zu lassen.«
    Richard Lomax sagte: »Ich habe seine Zeichnungen lieber als seine Porträts.«
    »Sie haben recht. Alle diese überlangen Damen und Herren in Jagdkleidung. Drei Meter groß und unsäglich hochnäsig blickend.« Er griff nach der Portweinkaraffe, füllte sein Glas und reichte sie dem Gast. »Übrigens, spielen Sie Backgammon?«
    »Ja.«
    »Wie wär’s mit einer Partie?«
    »Sehr gern.«
    Es war fast dunkel. Penelope stand auf, schloß die Fenster und zog alle Vorhänge zu, die häßlichen schwarzen und die schönen alten Samtvorhänge. Sie murmelte etwas von Kaffee, verließ das Zimmer und ging den Flur zur Küche hinunter. Sie verdunkelte die Küche, machte erst dann Licht und erblickte das Schlachtfeld, das sie erwartete, schmutzige Töpfe, Teller und Bestecke. Sie stellte Wasser auf. Sie hörte, wie die beiden Männer ins Wohnzimmer gingen, hörte, wie Kohlen auf das Feuer im Kamin geschaufelt wurden, ohne daß sie in ihrer Unterhaltung innehielten. Papa war in seinem Element und genoß den Abend. Wenn ihm die Partie Spaß machte, würde er Richard Lomax wahrscheinlich bald zu einer neuen einladen.
    Sie nahm ein sauberes Tablett, holte Kaffeetassen aus dem Schrank und lächelte vor sich hin.
    Die Partie endete, als die Uhr elf schlug. Lawrence hatte gewonnen. Richard Lomax gab sich mit einem Lächeln geschlagen und stand auf. »Ich denke, es ist Zeit, daß ich gehe.«
    »Ich hatte keine Ahnung, daß es schon so spät ist. Es war ein sehr unterhaltsamer Abend. Wir müssen ihn wiederholen.« Lawrence überlegte kurz und fügte hinzu: »Natürlich nur, wenn Sie möchten. «
    »Sehr gern, Sir. Ich fürchte nur,

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