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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Weg und Steg. Haben Sie schon immer hier gewohnt?«
    »Ja, das heißt, nur im Sommer. Im Winter waren wir in London. Und zwischendurch sind wir oft nach Frankreich gefahren. Meine Mutter war Französin, und wir hatten dort Freunde. Aber seit dem Ausbruch des Krieges sind wir immer in Porthkerris gewesen. Ich nehme an, wir werden auch bleiben, bis er zu Ende ist.«
    »Und Ihr Mann? Möchte er sie nicht in der Nähe haben, wenn sein Schiff im Hafen liegt?«
    Sie waren auf einen schmalen Weg eingebogen, der parallel zum Meer lief. Die Flutwellen hatten Kieselsteine, Seetangfetzen und ausgesplissene Enden von geteerten Seilen angetrieben. Sie bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn zurück ins Wasser. Sie sagte: »Ich sagte doch schon, er ist im Mittelmeer. Und selbst wenn ich bei ihm sein könnte, würde es nicht gehen, weil ich mich um Papa kümmern muß. Meine Mutter ist 1941 bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Also muß ich bei ihm bleiben.« Er sagte nicht, daß es ihm leid tue. Er sagte wieder: »Ich verstehe«, und es klang so, als ob er wirklich verstehe.
    »Aber es geht nicht nur um ihn und mich und Nancy. Doris und ihre beiden Jungen wohnen bei uns. Sie sind damals aus London evakuiert worden. Sie ist eine Kriegswitwe. Sie ist nicht zurückgegangen.« Sie sah ihn an. »Papa hat sich neulich im Museum gern mit Ihnen unterhalten. Er war böse auf mich, weil ich Sie nicht zum Abendessen einladen konnte. Er sagte, ich sei sehr unhöflich gewesen. Aber es war nicht meine Absicht. Ich wußte einfach nicht, was ich Ihnen vorsetzen sollte.«
    »Ich habe mich sehr gefreut, ihn kennenzulernen. Als ich erfuhr, daß ich nach Porthkerris versetzt werden sollte, dachte ich, ich würde vielleicht den berühmten Lawrence Stern zu sehen bekommen, aber ich habe es nicht wirklich geglaubt. Ich dachte, er wäre zu alt und gebrechlich, um aus dem Haus zu gehen und im Ort herumzulaufen. Als ich Sie dann auf der Straße vor dem Hauptquartier stehen sah, wußte ich sofort, daß er es sein mußte. Und als ich in das Museum kam und Sie auch da waren, konnte ich mein Glück kaum fassen. Er war ein großer Maler.« Er sah auf sie herunter. »Haben Sie sein Talent geerbt?«
    »Nein. Es ist eine große Enttäuschung. Ich sehe oft etwas, das so schön ist, daß es weh tut, ein altes Farmhaus oder eine Hecke, an der sich Fingerhutblüten vor einem strahlend blauen Himmel im Wind wiegen. Dann wünsche ich mir so sehr, es zu zeichnen oder zu malen, um es für immer festzuhalten. Aber ich kann es natürlich nicht.«
    »Es ist nicht leicht, mit seinen Unzulänglichkeiten zu leben.« Sie dachte unwillkürlich, daß er nicht wie jemand aussah, der die Bedeutung des Wortes »Unzulänglichkeit« kannte. »Malen Sie?«
    »Nein. Warum fragen Sie?«
    »Sie schienen so viel von Malerei zu verstehen, als Sie mit Papa redeten.«
    »Das dürfte daher kommen, daß meine Mutter sehr kunstliebend und kreativ ist. Sobald ich laufen konnte, nahm sie mich in alle Londoner Museen und Galerien mit, und ich mußte sogar mit ihr ins Konzert gehen.«
    »Sie hätten eine lebenslange Abneigung gegen Kunst entwickeln können.«
    »Ich habe es nicht. Sie ging sehr behutsam vor und machte es ungeheuer interessant.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Mein Vater war Börsenmakler in der City.«
    Sie dachte darüber nach. Das Leben anderer Leute war immer faszinierend. »Wo haben Sie gewohnt?«
    »In Cadogan Gardens. Aber als er gestorben war, hat meine Mutter das Haus verkauft, weil es zu groß für uns war, und wir sind in ein kleineres gezogen, am Pembroke Square. Sie wohnt immer noch dort. Sie war auch während der Bombenangriffe da. Sie sagte, sie wäre lieber tot, als irgendwo anders als in London zu wohnen.« Penelope dachte an Dolly Keeling und ihr sicheres kleines Mauseloch im Coombe Hotel, wo sie mit dieser blöden Lady Beamish Bridge spielte und Ambrose lange, liebevolle Briefe schrieb. Sie seufzte, weil sie jedesmal, wenn sie an Dolly dachte, ein wenig deprimiert wurde. Sie kam sich schuldig vor, weil sie Dolly nicht einlud, nach Porthkerris zu kommen und einige Tage bei ihnen in Carn Cottage zu verbringen - und sei es nur, um ihre Enkelin zu sehen. Oder weil sie nicht zusammen mit Nancy für ein paar Tage nach Devon fuhr und bei ihr im Hotel wohnte. Aber die Aussicht auf beides war so schrecklich, daß es ihr nie allzu schwer fiel, sie beiseite zu drängen und statt dessen an etwas anderes zu denken.
    Die schmale Straße führte nun den Hügel hinauf. Sie

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