Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
sie es tat, hörte sie, wie die Pforte am Ende des Gartens geöffnet wurde und mit einem Klicken ins Schloß fiel. Sie trat ans Fenster und sah, wie Richard Lomax durch den duftenden Garten ging und den von Stufen unterbrochenen Weg zum Haus heraufkam. Sie sah, daß er sich ebenfalls umgezogen hatte, denn er trug keine Kampfuniform, sondern weniger martialisch wirkenden khakifarbenen Drillich und ein kastanienbraunes, auf Hochglanz gewienertes Koppel mit Schulterriemen. Er hatte einen in braunes Papier gewickelten Gegenstand in der Hand, sicher eine Flasche.
    Sie hatte sich seit vorhin, seit dem Abschied vor dem Hotel, mit wachsender Nervosität darauf gefreut, ihn wiederzusehen. Doch als sie ihn nun zum Haus kommen sah und wußte, daß er in wenigen Sekunden die Tür erreichen und klingeln würde, wurde sie von Panik ergriffen. Kalte Füße bekommen, hatte Sophie dieses Gefühl genannt, das einen packte, wenn einem das Herz sank, weil man eine impulsive Entscheidung plötzlich bereute. Wenn der Abend nun kein Erfolg wurde und wenn alles schiefging, ohne daß Doris ihr helfen konnte, einigermaßen über die Runden zu kommen? Es war sehr gut möglich, daß sie sich in Richard Lomax geirrt hatte. Daß jenes unvermittelte innere Glühen, das unerklärliche Glück, das überwältigende Gefühl der Nähe und Vertrautheit nichts weiter gewesen war als eine Illusion, der sie erlegen war, weil ihre Lebensgeister sich unvermittelt gehoben hatten - und weil die Sonne nach tagelangem Regen plötzlich beschlossen hatte, wieder zu scheinen.
    Sie trat vom Fenster zurück, warf noch einen Blick in den Spiegel, schob die rote Halskette zurecht, verließ das Zimmer und ging die Treppe hinunter. Ehe sie die Diele erreicht hatte, klingelte es. Sie eilte weiter und machte die Tür auf, und er lächelte und sagte: »Ich hoffe, ich komme nicht zu spät - oder zu früh.«
    »Nein, weder noch. Sie haben den Weg also gefunden.«
    »Es war nicht weiter schwer. Was für ein wunderschöner Garten.«
    »Der Sturm hat alles abgeweht, und der Regen hat den Rest erledigt.« Sie trat zurück. »Kommen Sie herein.«
    Er tat es und nahm die grüne Baskenmütze mit dem Abzeichen seiner Truppengattung - ein roter Blitz auf Silber -ab. Sie schloß die Tür hinter ihm. Er legte die Baskenmütze auf die Truhe und wandte sich ihr zu. Er hob den eingewickelten Gegenstand hoch und sagte: »Das ist für Ihren Vater.«
    »Oh. Sehr freundlich von Ihnen.«
    »Trinkt er Scotch?«
    »Ja. «
    Es würde gutgehen, und sie hatte sich nicht in ihm geirrt. Er war kein Durchschnitt. Er war etwas ganz Besonderes, weil er nicht nur einen gewissen Glanz, sondern auch eine unbefangene Ausstrahlung mitgebracht hatte. Sie erinnerte sich an die unerträgliche Beklommenheit, die Ambrose verursacht hatte. Die Spannungen und das betretene Schweigen und die Art, wie sich die ganze Atmosphäre auf alle ausgewirkt und sie reizbar und launisch gemacht hatte. Dieser Fremde verströmte dagegen etwas wohltuend Beruhigendes. Er hätte ein alter Freund sein können, der nach vielen Jahren zu Besuch kam, um die Bekanntschaft aufzufrischen und zu hören, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen war, und dann von sich zu erzählen. Sie hatte wieder das Gefühl des Deja vu, aber noch stärker als zuvor. Es war so intensiv, daß sie fast damit rechnete, der Boden würde sich auftun, und Sophie würde lachend vor ihnen stehen und ein Dutzend Dinge auf einmal sagen, den jungen Mann umhalsen und auf die Wangen küssen. O mein Lieber, ich habe mich so darauf gefreut, dich wiederzusehen. ». wir haben seit Monaten keine Flasche mehr im Haus gehabt. Er wird sich freuen wie ein kleiner Junge. Er ist im Wohnzimmer und wartet auf Sie.« Sie ging zur Tür und öffnete sie. »Papa. Unser Gast ist da. Und er hat dir etwas mitgebracht.«
    »Für wie lange sind Sie hier stationiert?« fragte Lawrence. »Ich habe keine Ahnung, Sir.«
    »Und selbst wenn Sie es wüßten, würden Sie es mir nicht sagen. Glauben Sie, wir werden nächstes Jahr in der Lage sein, auf dem Kontinent zu landen und die besetzten Länder zu befreien?« Richard Lomax lächelte, aber er gab nichts preis. »Ich hoffe es, Sir.«
    »Diese Amerikaner. Sie halten sich anscheinend strikt für sich. Wir hatten uns schon darauf gefaßt gemacht, daß sie alles auf den Kopf stellen würden.«
    »Sie müssen hart arbeiten. Und sie sind eine hochqualifizierte Spezialtruppe, eine vollkommen selbständige Einheit. Sie haben ihre eigenen Offiziere, ihre

Weitere Kostenlose Bücher