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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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über mein Leben gekommen ist.
    Deren Schatten auf meinen Wänden haftet und tanzt, tanzt
    Deren Haar in allen meinen Wasserfällen strömt
    Deren Küsse meine Erinnerung in ganz London findet.
    Ein Liebesgedicht. Ein Liebesgedicht, vollkommen unerwartet. Sie war nicht verlegen, sondern zutiefst bewegt. Die Worte, die er mit seiner ruhigen Stimme gesprochen hatte, lösten eine Welle von Empfindungen in ihr aus, aber auch Trauer. Und überall in London sind ihre unvergessenen Küsse. Sie dachte zurück an Ambrose und an jenen Abend, als sie ins Theater gegangen waren, zum Tanzen und danach wieder in die Oakley Street, aber die Erinnerung war seicht und farblos und wühlte sie nicht innerlich auf wie das Gedicht, das sie eben gehört hatte. Und das war traurig. »Penelope.«
    »Hm?«
    »Warum sprechen Sie nie über Ihren Mann?«
    Sie blickte ruckartig auf und fragte sich einen schrecklichen Augenblick lang, ob sie vielleicht laut gedacht hatte. »Möchten Sie, daß ich über ihn spreche?«
    »Nicht unbedingt. Aber es wäre natürlich. Ich kenne Sie nun schon. wie lange ist es her? Ja, fast zwei Monate, und in all der Zeit haben Sie nie von sich aus über ihn gesprochen oder seinen Namen erwähnt. Bei Ihrem Vater ist es ganz ähnlich. Jedesmal, wenn wir uns dem Thema nähern, spricht er schnell von etwas anderem.«
    »Der Grund ist ganz einfach. Er macht sich nichts aus Ambrose. Sophie hat sich auch nichts aus ihm gemacht. Sie hatten nichts gemeinsam. Sie hatten sich nichts zu sagen.«
    »Und Sie?«
    Sie wußte, daß sie ehrlich sein mußte, nicht nur zu Richard, sondern auch sich selbst gegenüber. »Ich spreche nicht darüber, weil es etwas ist, auf das ich nicht sehr stolz bin. Ich habe dabei eine etwas klägliche Rolle gespielt.«
    »Was immer das heißen soll - Sie glauben doch nicht, daß Sie deshalb in meiner Achtung sinken könnten?«
    » O Richard, ich habe keine Ahnung, was Sie von mir denken würden.«
    »Finden Sie es heraus.«
    Die Worte fehlten ihr, und sie zuckte mit den Achseln. Dann sagte sie: »Ich habe ihn geheiratet.«
    »Haben Sie ihn geliebt?«
    Sie rang wieder um die Wahrheit. »Ich weiß es nicht. Aber er sah gut aus, und er war freundlich zu mir, und er war der erste Mensch, den ich fand, nachdem ich mich verpflichtet hatte und auf die Wal-Insel geschickt worden war. Ich hatte noch nie einen.« Sie hielt inne und suchte das richtige Wort, aber wie sollte sie es nennen, wenn nicht »Freund«? »Ich hatte vorher noch nie einen Freund gehabt, ich meine, noch nie eine Beziehung zu einem Mann in meinem Alter. Er war unterhaltsam, und er mochte mich, und es war alles neu und anders.«
    »War das alles?« Natürlich konnte er mit dieser verworrenen und unzulänglichen Erklärung nichts anfangen.
    »Nein. Es gab noch einen Grund. Ich erwartete Nancy.« Sie zwang sich zu einem strahlenden Lächeln. »Schockiert Sie das?«
    »Um Gottes willen, nein, es schockiert mich überhaupt nicht.«
    »Sie machen so ein entsetztes Gesicht.«
    »Nur deshalb, weil Sie den Mann geheiratet haben.«
    »Ich hätte es nicht tun müssen.« Es war ihr wichtig, jeden Zweifel auszuräumen, nicht die Vorstellung entstehen zu lassen, Lawrence habe Ambrose mit erhobener Flinte bedroht, und Sophie habe sie unter Tränen angefleht. »Papa und Sophie sind nie so gewesen. Sie waren Freidenker im besten Sinn des Wortes. Sie haben nie etwas auf Konventionen gegeben. Ich hatte Urlaub, als ich ihnen sagte, daß ich ein Kind erwartete. Unter normalen Umständen wäre ich vielleicht einfach zu Hause geblieben und hätte Nancy zur Welt gebracht, als gäbe es Ambrose überhaupt nicht. Aber ich war immer noch beim Marinehilfskorps. Als der Urlaub zu Ende war, mußte ich wieder zurück nach Portsmouth, das heißt, ich mußte Ambrose wohl oder übel wiedersehen. Und ich mußte ihm sagen, daß ich ein Kind erwartete. Es war nur fair. Ich sagte ihm, daß er sich nicht verpflichtet fühlen müsse, mich zu heiraten. aber.« Sie hielt inne, denn sie konnte sich beim besten Willen nicht genau erinnern, was damals geschehen war. »Als er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, fand er offenbar, daß wir heiraten sollten. Ich war irgendwie sehr gerührt, weil ich eigentlich nicht erwartet hatte, daß er so reagieren würde. Und als wir uns dazu entschlossen hatten, war keine Zeit zu verlieren, weil Ambrose seine Lehrgänge beendet hatte und bald auf ein Schiff kommen würde. Also arrangierten wir alles, und das war’s. Im Wonnemonat Mai auf dem Standesamt

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