Die Muschelsucher
Welt.«
»Wann bist du gekommen?«
»Vor etwa einer halben Stunde.«
»Du siehst erschöpft aus.«
»Ich bin es auch«, gab er zu. »Aber ich hatte gesagt, ich würde zu Nancys Geburtstag da sein.«
»Du Narr, das war doch nicht so wichtig. Du solltest im Bett sein.«
Sie waren allein. Nancys kleine Freundinnen waren alle gegangen, jede mit einem Luftballon und einem Dauerlutscher. Doris hatte Nancy nach oben gebracht, um sie zu baden. Lawrence hatte ein Glas Whisky vorgeschlagen und holte gerade die Flasche. Das Wohnzimmer war noch nicht aufgeräumt, und alle Möbel standen verkehrt, aber sie saßen glücklich inmitten all der Unordnung, Richard in einem Lehnstuhl, und Penelope zu seinen Füßen auf dem Vorleger.
Er sagte: »Das Manöver hat länger gedauert. war schwieriger, als wir erwartet hatten. Ich konnte dir nicht mal schreiben.«
»Das habe ich mir gedacht.«
Sie schwiegen. Sie saßen am warmen Feuer, und ihm fielen fast die Augen zu. Er richtete sich auf, schüttelte die Müdigkeit ab, rieb sich die Augen und fuhr sich dann über sein stoppeliges Kinn. »Ich sehe sicher aus wie ein Landstreicher. Es war keine Zeit zum Rasieren, und ich habe drei Nächte nicht geschlafen. Ich bin fix und fertig. Was sehr traurig ist, denn ich hatte eigentlich vor, mit dir auszugehen und dich den Rest des Abends und die Nacht ganz allein für mich zu haben, aber so langsam glaube ich, daß ich zu müde bin. Es hätte keinen Sinn. Ich würde im Stehen einschlafen. Macht es dir etwas aus? Kannst du warten?«
»Natürlich. Jetzt, wo du wieder da bist, macht mir nichts etwas aus. Aber ich hatte so schreckliche Alpträume. du hast dich zu weit vorgewagt und bist gefangengenommen oder erschossen worden.«
»Du überschätzt mich.«
»Es kam mir alles vor wie eine Ewigkeit, aber jetzt bist du wieder da, ich kann dich sehen und berühren, und es ist, als ob du nie weg gewesen wärst. Du hast nicht nur mir gefehlt. Papa auch. Er hat sich so darauf gefreut, wieder Backgammon zu spielen.«
»Ich komme an einem der nächsten Abende und spiele eine Partie mit ihm.« Er beugte sich vor und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Er sagte: »Du bist genauso schön, wie ich dich in Erinnerung hatte.« Um seine Augen bildeten sich winzige Lachfalten. »Vielleicht noch schöner.«
»Was ist denn so komisch?«
»Du. Hast du vergessen, daß du einen sehr sonderbaren Papierhut aufhast?«
Er blieb nur noch eine kleine Weile, gerade lang genug, um den Whisky zu trinken, den Lawrence ihm eingeschenkt hatte. Dann wurde er zusehends von Erschöpfung übermannt, unterdrückte mehrmals ein Gähnen, stand auf, entschuldigte sich dafür, ein so wortkarger und langweiliger Gast gewesen zu sein, und verabschiedete sich. Penelope begleitete ihn hinaus. Vor dem Haus, im Dunkeln, küßten sie sich. Dann entfernte er sich durch den Garten und ging zum White Caps Hotel, zu einer heißen Dusche und seinem Bett, um den lang entbehrten Schlaf nachzuholen. Sie ging wieder hinein und schloß die Tür. Kurz blieb sie stehen, weil sie Zeit brauchte, um ihre Gedanken zur Ruhe zu bringen, und dann betrat sie das Eßzimmer, nahm ein Tablett und begann die mühselige Arbeit, das Schlachtfeld, das die Kinder hinterlassen hatten, aufzuräumen. Als sie in der Küche war und das Geschirr spülte, kam Doris herein und stellte sich neben sie.
»Nancy schläft schon. Sie wollte unbedingt in ihrem neuen Kleid ins Bett gehen.« Sie seufzte. »Ich bin völlig fertig. Ich dachte, die Gesellschaft würde nie zu Ende gehen.« Sie zog ein Geschirrtuch von der Stange und fing an abzutrocknen. »Ist Richard gegangen?«
»Ja.«
»Ich dachte, er würde dich vielleicht zum Essen einladen.«
»Nein. Er ist zurück ins Hotel. Er hat seit Tagen nicht mehr geschlafen.«
Doris stapelte die abgetrockneten Teller aufeinander, und der Stapel wuchs zusehends. »Es war sehr nett, daß er vorbeigekommen ist. Hast du ihn erwartet?«
»Nein.«
»Das hab ich mir gedacht.«
»Warum?«
»Ich habe dich beobachtet. Du bist auf einmal schneeweiß geworden und hast ihn angestarrt wie ein Gespenst. Ich hatte schon Angst, du würdest in Ohnmacht fallen.«
»Ich war nur überrascht.«
»Oh, hör auf, Penelope. Ich bin doch nicht dumm. Wenn ihr beide zusammen seid, ist alles wie elektrisch geladen. Ich habe oft genug gesehen, wie er dich ansieht. Er ist verrückt nach dir. Und so wie du aussiehst, seit du ihn kennst, beruht das auf Gegenseitigkeit.« Penelope spülte gerade einen Becher, der
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