Die Muschelsucher
mit einem Peter Rabbit bemalt war. Sie drehte ihn im Wasser herum. »Ich hab nicht gedacht, daß man es so deutlich sieht.«
»Oh, hab dich nicht so. Ein kleiner Flirt mit einem attraktiven Mann wie Richard Lomax, das ist doch nichts, weswegen man sich schämen muß.«
»Ich fürchte, es ist nicht nur ein kleiner Flirt. Ich bin in ihn verliebt. «
»Nein.«
»Und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Ist es so ernst?«
Penelope wandte den Kopf und sah Doris an. Ihre Blicke begegneten sich, und in diesem Moment wurde ihr bewußt, daß sie einander im Lauf der Jahre sehr nahe gekommen waren. Die gemeinsamen Pflichten, Sorgen, Enttäuschungen, Geheimnisse, Scherze und lustigen Momente hatten eine Beziehung entstehen lassen, die mehr war als eine oberflächliche Freundschaft. Ja, Doris, die nüchterne, praktische, hilfsbereite und unendlich freundliche Doris hatte die schmerzende Leere, die Sophies Tod hinterlassen hatte, so gut ausgefüllt, wie es überhaupt möglich gewesen war. Und deshalb war es nicht sehr schwer, sich ihr anzuvertrauen. »Ja.«
Es entstand eine Pause. »Du schläfst mit ihm, nicht?« fragte Doris, als ob es die selbstverständlichste Sache von der Welt wäre. »Ja.«
»Wie schafft ihr das bloß?«
»Es war nicht weiter schwierig.«
»Nein, das meine ich nicht. Ich meine, wo?«
»Im Atelier.«
»Verdammt«, sagte Doris, die nur dann fluchte, wenn ihr absolut nichts anderes mehr einfiel. »Bist du schockiert?«
»Warum sollte ich? Es geht mich nichts an.«
»Ich bin verheiratet.«
»Ja, das bist du. Das ist Pech.«
»Du magst Ambrose nicht?«
»Du weißt doch, daß ich ihn nicht mag. Ich habe es nie gesagt, aber auf eine direkte Frage gehört eine direkte Antwort. Ich finde, er ist ein schlechter Ehemann und ein schlechter Vater. Er kommt fast nie, um dich zu besuchen, und sag jetzt bloß nicht, daß er nie Urlaub hätte. Er schreibt nur alle Jubeljahre mal. Und er hat Nancy nicht mal was zum Geburtstag geschickt. Ehrlich, Penelope, er verdient dich nicht. Es ist mir ein Rätsel, warum du den Kerl geheiratet hast.« Penelope sagte tonlos: »Nancy war unterwegs.«
»Wenn ich je einen schlechten Grund gehört habe, dann den.«
»Ich hätte nie gedacht, daß du das sagen würdest.«
»Wofür hältst du mich eigentlich? Für eine Heilige?«
»Dann verurteilst du mich nicht für das, was ich tue?«
»Nein. Richard Lomax ist ein Gentleman, tausendmal besser als dieser widerliche Ambrose Keeling. Und außerdem. warum solltest du nicht ein bißchen Spaß haben? Du bist erst vierundzwanzig und hast in den letzten Jahren weiß Gott kein lustiges Leben gehabt. Ich bin nur überrascht, daß du nicht schon vorher über die Stränge geschlagen hast, ich meine, in Anbetracht deines Aussehens und so. Das heißt, bevor Richard kam, hatten wir natürlich nicht viele Möglichkeiten.«
Penelope mußte wider Willen und trotz allem lachen.
»Doris, ich weiß nicht, was ich ohne dich täte.«
»Vieles, nehme ich an. Jetzt weiß ich wenigstens, woher der Wind weht. Also, ich finde es großartig.«
»Aber was soll daraus werden?«
»Wir haben Krieg. Wir wissen überhaupt nicht, was kommen wird. Wir müssen einfach jeden schönen Augenblick festhalten und genießen, der sich bietet. Wenn er dich liebt und wenn du ihn liebst, dann liebt euch einfach. Ich bin auf eurer Seite und werde alles tun, um euch zu helfen. Aber laß uns jetzt um Gottes willen fertig spülen und das Geschirr wegräumen, ehe die Jungs zurückkommen und wir anfangen müssen, das Abendessen zu machen.«
Es war Dezember. Ehe sie es wußten, stand Weihnachten bevor, und alles, was dazu gehörte. Es war schwer, in den halbleeren Geschäften von Porthkerris etwas Passendes für jeden zu finden, aber irgendwie bekamen sie Geschenke zusammen, die liebevoll verpackt und dann sicher versteckt wurden wie jedes Jahr. Doris machte einen »Kriegsweihnachtspudding« nach einem Rezept des Ernährungsministeriums, und da weit und breit kein Truthahn aufzutreiben war, versprach Ernie, einem anderen geeigneten Vogel den Hals umzudrehen. General Watson-Grant brachte ihnen eine kleine Fichte aus seinem Garten, und Penelope kramte die Schachtel mit Christbaumschmuck hervor - die Kugeln und Rauschgoldengel, die aus der Zeit ihrer Kindheit stammten, die vergoldeten Tannenzapfen, die Papiersterne und dünne, heillos verknäulte Bündel graubraun angelaufener Lamettafäden.
Richard hatte Weihnachtsurlaub, aber er wollte nach London, um einige Tage mit
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