Die Muschelsucher
Mrs. Bradbury hat sie seit dem Krieg nicht mehr benutzt. Sie hält sich fast immer in der Bibliothek auf. Sie sollten das Feuer nicht ausgehen lassen, damit Sie es warm haben. Und wenn die Sonne scheint, können Sie die Fenstertüren aufmachen und auf die Terrasse gehen. Und nun kommen Sie, ich zeige Ihnen die Küche.« Sie trabten gehorsam hinter ihr her. »Sie müssen den Herd schüren und jeden Abend Kohlen nachlegen, sonst haben Sie kein warmes Wasser.« Um es zu demonstrieren, ergriff sie einen Messingknauf und bewegte ihn zwei oder dreimal vor und zurück, worauf es in den Tiefen des altertümlichen Herds bedrohlich grummelte. »In der Speisekammer ist ein gekochter Schinken, und ich habe Milch, Eier und Brot gebracht. Mrs. Bradburys Wunsch.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Aber sie hatte keine Zeit für Nettigkeiten. »So. Und jetzt nach oben.« Sie nahmen die Koffer und Taschen und folgten ihr. »Badezimmer und Toilette sind hier, am anderen Ende des Flurs.« Die Badewanne stand auf Klauenfüßen, die Wasserhähne waren aus Kupfer, und das Spülbecken des WCs hatte eine Kette mit einem Porzellangriff, auf dem BITTE ZIEHEN stand. »Vertracktes altes Klo, kann ich Ihnen sagen. Wenn es das erste Mal nicht rauscht, müssen Sie ein bißchen warten und es dann noch mal versuchen.«
»Vielen Dank, daß Sie uns darauf aufmerksam machen.« Sie hatte jedoch keine Zeit, um sich mit den Tücken der Installation aufzuhalten, eilte voraus und öffnete eine Tür gegenüber der Treppe, und heller Sonnenschein fiel durch die Öffnung. »Hier. Das schönste Gästezimmer, hier haben Sie einen herrlichen Blick, wirklich. Ich hoffe, das Bett ist in Ordnung. Ich hab eine Wärmflasche reingelegt, um die Feuchtigkeit zu vertreiben. Und seien Sie vorsichtig, wenn Sie auf den Balkon gehen. Das Holz ist angefault. Sie könnten runterfallen. Das wäre alles.« Sie hatte ihre Pflicht getan. »Ich geh jetzt.«
Penelope schaffte es zum erstenmal, ein Wort einzuwerfen. »Werden wir Sie noch einmal sehen, Mrs. Brick?«
»Oh, ich komm ab und zu her. Wenn ich Zeit habe. Werde ein Auge auf Sie haben, Mrs. Bradburys Wunsch.« Und damit eilte sie auch schon fort.
Penelope konnte Richard einfach nicht ansehen. Sie stand da und preßte die Hand auf den Mund, um ihr Lachen zu unterdrücken, bis sie die Tür ins Schloß fallen hörte und wußte, daß Mrs. Brick in sicherer Entfernung war. Dann spielte es keine Rolle mehr. Sie ließ sich auf das schwellende Plumeau fallen, platzte los und wischte sich die Tränen von den Wangen. Richard setzte sich neben sie. Er sagte: »Wir müssen herausfinden, welches ihr gutes Auge ist, sonst können wir große Schwierigkeiten bekommen.«
»›Vertracktes altes Klo, kann ich Ihnen sagen.‹ Sie ist genau wie das Weiße Kaninchen, das immer Schneller, schneller! sagt.«
»Wie fühlst du dich als Mrs. Lomax?«
»Unglaublich gut.«
»Ich nehme an, Mrs. Bradburys Wunsch, dich so anzureden.«
»Jetzt verstehe ich, was du mit Damen meinst, die in Kenia aufgewachsen sind.«
»Wirst du dich hier wohl fühlen?«
»Ich denke, ich werde es aushalten.«
»Wie kann ich dazu beitragen, daß du dich wohl fühlst?« Sie fing wieder an zu lachen. Er streckte sich neben ihr aus und nahm sie behutsam und ohne Hast in die Arme. Durch das offene Fenster klangen die Geräusche der Natur. Der Schrei ferner Möwen. Aus dem Gehölz am Haus das sanfte Gurren einer Waldtaube. Ein Windhauch ließ die Blätter der wilden Kirsche rascheln. Das Wasser des Gezeitenstroms gurgelte langsam das leere Schlammbett des Flüßchens hoch.
Später packten sie aus und nahmen das Haus in Besitz. Richard zog alte Cordhosen, einen weißen Rollkragenpulli und feste Wildlederschuhe an. Penelope hängte seine Uniform in die äußerste Ecke des Kleiderschranks, und sie schoben die Koffer mit dem Fuß unter das Bett, so daß sie nicht mehr zu sehen waren. »Es ist, als fingen die großen Ferien an«, sagte Richard. »Gehen wir und erkunden wir alles.«
Sie erkundeten zuerst das Haus, öffneten Türen, fanden unerwartete Gänge und Treppen, machten sich mit der neuen Bleibe vertraut. Unten in der Bibliothek angekommen, machten sie die Fenstertüren auf, lasen die Titel einiger Bücher, fanden ein altes Aufzieh-Grammophon und einen Stapel herrlicher Schallplatten. Delius, Brahms, Charles Trenet, Ella Fitzgerald. »Wir können musikalische Soireen veranstalten.«
In dem großen Kamin glomm ein Feuer. Richard bückte sich, um einige Scheite
Weitere Kostenlose Bücher