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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Olivia liebte Weiß. Die Farbe des Luxus, die Farbe des Lichts. Weißer Fliesenboden, weiße Wände, weiße Vorhänge. Grobe weiße Baumwolle auf den tiefen, sündhaft bequemen Sofas und Sesseln, weiße Lampen und Lampenschirme. Dennoch wirkte es nicht kalt, denn sie hatte das jungfräuliche Weiß mit kräftigen Farbtupfern aufgelockert. Scharlachrote und leuchtend rosa Kissen, spanische Teppiche, starkfarbige abstrakte Bilder in Silberrahmen. Der Eßtisch hatte eine Glasplatte, die Stühle waren schwarz, und eine Wand des Eßbereichs war kobaltblau gestrichen und mit vielen gerahmten Fotos von Verwandten und Freunden geziert. Es war warm, aufgeräumt und blitzsauber, denn Olivias Nachbarin kam seit langer Zeit jeden Tag mit Ausnahme des Wochenendes vorbei, um zu putzen und zu spülen. Olivia konnte den schwachen Geruch des Putzmittels wahrnehmen, der sich in den Duft der blauen Hyazinthen mischte, die sie letzten Herbst in einer großen Schale gepflanzt hatte und die endlich zu ihrer ganzen Pracht erblüht waren.
    Sie entspannte sich ganz bewußt, während sie ohne jede Hast mit den Vorbereitungen für ihren Gast begann. Sie zog die Vorhänge zu, zündete den Kamin an (Gasflammen hinter imitierten Scheiten, aber fast so anheimelnd wie ein richtiges Feuer), legte eine Kassette auf und schenkte sich einen Scotch ein. Dann ging sie in die Küche, stellte den Wein kalt, bereitete den Salat vor und machte die Salatsoße.
    Es war kurz vor halb acht, und sie ging nach oben. Ihr Schlafzimmer war an der Rückseite des Hauses zum Garten und zu der großen Eiche hin, ebenfalls ganz in Weiß gehalten, mit einem dicken Auslegteppich und einem großen Doppelbett. Sie sah auf das Bett hinunter und dachte an Hank Spotswood, überlegte ein oder zwei Sekunden, zog es dann ab und bezog es mit glänzendem, kühlem, frisch gebügelten Leinenbettzeug. Als sie damit fertig war, erst dann, zog sie sich aus und ließ sich ein Bad einlaufen. Erst jetzt, beim Ritual des abendlichen Bades, entspannte sich Olivia vollständig und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie gab sich dem duftenden Wasser und den feuchtwarmen Schwaden hin und dachte an all die Dinge, die sie tagsüber nicht an sich herankommen ließ. Es war ein Vorspiel zu angenehmen Betrachtungen - über die nächste Urlaubsreise, Kleidung für die nächsten Monate, ihren gegenwärtigen Liebhaber. Doch heute abend kehrten ihre Gedanken immer wieder zu Nancy zurück, und sie fragte sich, ob ihre Schwester nun wieder bei ihrem langweiligen Mann und ihren ungezogenen Kindern in dem schrecklichen alten Haus war. Sicher, sie hatte Probleme, aber sie hatte sich fast alle selbst geschaffen. Sie und George dachten, sie seien etwas Besseres, lebten weit über ihre Verhältnisse, und redeten sich dabei auch noch hartnäckig ein, sie hätten sehr viel mehr verdient. Es fiel ihr schwer, nicht zu lächeln, als sie das fassungslose Gesicht wieder vor sich sah, das Nancy gemacht hatte, als sie ihr gesagt hatte, was die Bilder ihres Großvaters wahrscheinlich wert waren. Dieser offene Mund, dieser starre Blick. Nancy hatte ihre Gedanken niemals verbergen können, vor allem dann nicht, wenn sie überrascht wurde, und das fassungslose Staunen war sehr rasch von einem berechnenden und gierigen Ausdruck abgelöst worden, weil sie zweifellos an bezahlte Internatsrechnungen, Thermopanefenster für das Alte Pfarrhaus und künftige finanzielle Sicherheit für die ganze Chamberlainsippschaft dachte. Es beunruhigte Olivia nicht. Sie machte sich keine Sorgen um Die Muschelsucher. Lawrence Stern hatte seiner Tochter das Bild zur Hochzeit geschenkt, und es war für sie kostbarer als alles Geld der Welt. Sie würde es nie verkaufen. Nancy - und Noel mit ihr - würde einfach warten müssen, daß die Natur ihren Lauf nahm. - Bis Penelope gestorben war. Was, wie Olivia inbrünstig hoffte, erst in vielen, vielen Jahren geschehen würde.
    Sie vergaß Nancy fürs erste und gab sich anderen, angenehmeren Gedanken hin. Dieser aufgeweckte junge Fotograf, Lyle Medwin. Ungeheuer begabt. Eine echte Entdeckung. Und er schien eine unglaubliche Intuition zu haben.
    »Ibiza «, hatte er gesagt, und sie hatte das Wort unwillkürlich wiederholt, und er mußte eine Frage oder irgendeinen sonderbaren Unterton aus ihrer Stimme herausgehört haben, denn er hatte sofort einen Alternativvorschlag gemacht. Ibiza. Während sie den
    Schwamm ausdrückte und die kleinen heißen Rinnsale wie Balsam über ihre Haut liefen, wurde ihr klar, daß

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