Die Muschelsucher
davon.«
Seine Augen blitzten amüsiert. »Das ist fast beleidigend.« Er sah in der Tat so kraftvoll und aktiv aus, daß er vielleicht wirklich beleidigt war. Olivia lächelte. »Ich habe es nicht so gemeint.« Als er lächelte, leuchtete sein Gesicht auf, und an den Augen bildeten sich feine Fältchen. Olivia hatte das Gefühl, als ob ihr Herz einen Schlag aussetze und sich dann unaufhaltsam öffne. »Ich habe ein Boot«, sagte er, »und ein Haus und einen Garten. Viele Bücher, zwei Ziegen und drei Dutzend Zwerghühner. Nach der letzten Zählung. Zwerghühner vermehren sich furchtbar schnell.«
»Versorgen Sie die Zwerghühner, oder tut das Ihre Frau?«
»Meine Frau lebt in Wexbridge. Wir sind geschieden.«
»Dann leben Sie allein hier.«
»Nicht ganz. Ich habe eine Tochter. Sie geht in England zur Schule und lebt dort bei ihrer Mutter, aber in den Ferien kommt sie immer her.«
»Wie alt ist sie?«
»Dreizehn. Sie heißt Antonia.«
»Sie freut sich bestimmt jedesmal darauf, die Ferien hier zu verbringen.«
»Ja. Wir lassen es uns gutgehen. Wie heißen Sie?«
»Olivia Keeling.«
»Wo wohnen Sie?«
»Im Los Pinos.«
»Sind Sie allein?«
»Nein, mit Freunden. Ihretwegen sitze ich hier. Einer von uns wurde eingeladen und hat uns alle mitgeschleppt.«
»Ich habe gesehen, wie Sie an Bord gekommen sind.« Sie sagte: »Ich hasse Boote«, und er fing an zu lachen. Am nächsten Morgen kam er zum Hotel und suchte sie. Er fand sie allein am Swimming-pool. Es war früh, und ihre Freunde schliefen wahrscheinlich noch, aber sie hatte bereits geschwommen und dem Kellner gesagt, daß sie auf der Terrasse am Pool frühstücken wolle.
»Guten Morgen.«
Sie blickte hoch und sah ihn in der blendenden Sonne stehen. »Hallo.«
Ihre Haare waren vom Schwimmen naß und strähnig, und sie hatte sich in ihren weißen Bademantel gehüllt. »Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?«
»Wenn Sie möchten.« Sie schob ihm mit dem Fuß einen Stuhl hin. »Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Ja.« Er setzte sich. »Vor ein paar Stunden.«
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Nein, auch keinen Kaffee.«
»Was kann ich Ihnen dann anbieten?«
»Ich wollte Sie fragen, ob Sie den Tag vielleicht mit mir verbringen würden.«
»Schließt das meine Freunde mit ein?«
»Nein. Nur Sie.«
Er sah sie an, und sein Blick war fest und ruhig. Sie hatte das Gefühl, es sei so etwas wie eine Herausforderung, und war aus irgendeinem Grund verwirrt. Sie war seit Jahren nicht verwirrt gewesen. Um diese sonderbare Nervosität zu kaschieren und irgend etwas zu tun, nahm sie eine Apfelsine aus dem Korb mit den Früchten auf dem Tisch und versuchte, sie zu schälen. Sie sagte: »Und was soll ich den anderen sagen?«
»Sagen Sie ihnen einfach, daß Sie den Tag mit mir verbringen.« Die Apfelsinenschale war zäh und hart und tat unter ihrem Daumennagel weh. »Was wollen wir machen?«
»Ich dachte, wir könnten mit meinem Boot rausfahren, und irgendwo picknicken. Moment.« Er sagte es ungeduldig, fast barsch, beugte sich vor und nahm ihr die Apfelsine aus der Hand. »So schaffen Sie es nie.« Er langte in seine Gesäßtasche, holte ein Messer heraus und machte vier Schnitte. Sie beobachtete seine Hände und sagte: »Ich hasse Boote.«
»Ich weiß. Sie haben es gestern gesagt.« Er steckte das Messer wieder in die Tasche, zog die Schalenviertel geschickt ab und gab ihr die Apfelsine. »So«, sagte er, als sie sie schweigend nahm. »Wie lautet die Antwort? Ja oder nein?«
Olivia lehnte sich zurück und lächelte. Sie teilte die Apfelsine in kleine Schnitze und fing an, sie nacheinander langsam zu essen. Cosmo beobachtete sie, ohne etwas zu sagen. Die Sonne wurde wärmer, und mit dem köstlichen Zitrusgeschmack auf der Zunge fühlte sie, wie alles von ihr abfiel und ein wohliges Behagen sie in Besitz nahm. Sie aß langsam das letzte Stück. Als sie fertig war, leckte sie sich die Fingerspitzen ab und blickte auf den Mann, der ihr gegenüber saß und wartete. »Ja«, sagte sie. Olivia stellte an jenem Tag fest, daß sie Boote doch nicht haßte. Cosmos Boot war kleiner und primitiver als die Jacht, auf der die Party gewesen war, aber viel schöner. Erstens waren nur sie beide an Bord, und dann dümpelten sie nicht sinnlos an einer Boje, sondern legten ab und glitten an der Mole entlang aufs offene Meer, um dann der Küste bis zu einer kleinen, tiefblauen Bucht zu folgen, die sicher noch kein Tourist entdeckt hatte. Dort ankerten sie und schwammen,
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