Die Muschelsucher
dürfte. Wenn Du das nicht für mich getan hättest, wäre ich nicht hier und lebte nicht wie im Paradies, zusammen mit den beiden Menschen, die ich auf der Welt am meisten mag. Außer Dir natürlich.
Viele liebe Grüße, Deine Antonia
Ihre Kinder, Nancy, Olivia und Noel, hatten - Penelope mußte es wider Willen zugeben - nur allzu recht gehabt. Porthkerris war in jeder Beziehung anders geworden. Cam Cottage war nicht das einzige Haus mit einem zubetonierten Garten, einem Hotelschild über dem Tor und gestreiften Sonnenschirmen auf der neu errichteten Terrasse. Das alte White Caps Hotel hatte ein paar scheußliche Anbauten bekommen und war in Ferienwohnungen aufgeteilt worden, und die Straße am Hafen, wo früher die Maler gewohnt und gearbeitet hatten, war nun ein Rummelplatz mit Spielhallen, Discos, Hamburger-Restaurants und Andenkenläden. Im Hafen selbst waren die meisten Fischerboote verschwunden. Es gab nur noch ein oder zwei, und an den anderen Anlegeplätzen waren Ausflugsboote vertäut, mit denen man für lächerlich hohe Preise aufs Meer fahren konnte, um die Seehunde zu sehen und zwischendurch ein paar Stunden Makrelen zu fischen.
Doch so anders war es erstaunlicherweise auch wieder nicht. Jetzt, im Frühling, war der Ort noch relativ leer, der erste große Touristenschub würde erst zu Pfingsten kommen. Man konnte in einer der malerischen Gassen stehenbleiben und sich ungestört umschauen, und auf dem Markt waren fast nur Einheimische zu sehen. Und nichts würde je die wunderbare blaue, seidig schimmernde Fläche der Bucht ändern oder die sanfte Rundung des Oberlands oder das Labyrinth der Straßen und Gänge mit den schiefergedeckten Häusern, die sich den Hang bis zum Wasser hinunterzogen. Die Möwen erfüllten immer noch die Luft mit ihren Schreien, es roch immer noch nach dem salzigen Wind und nach Liguster und Steinbrech, und unten in Downalong konnte man sich noch ebenso leicht verlaufen wie früher.
Penelope ging zu Fuß zum Ort, um Doris zu besuchen. Es war angenehm, einmal allein zu sein. Danus und Antonia waren die liebste und unterhaltsamste Gesellschaft, die sie sich vorstellen konnte, aber trotzdem begrüßte sie es, eine Weile für sich zu sein. Sie schritt in der warmen Nachmittagsluft durch den Garten des Hotels zur Straße oberhalb des Strandes, betrachtete die viktorianischen Häuser, die sie säumten, und ging in den Ort hinunter. Sie wollte irgendwo Blumen kaufen. Das Blumengeschäft, das sie in Erinnerung hatte, war jetzt eine Boutique, vollgestopft mit Kleidungsstücken, die ausgabewütige Touristen gern kaufen. Stretch-Tops in rosaroter Leuchtfarbe, überlange T-Shirts, die mit den Gesichtern von Pop-Stars bedruckt waren, und knallenge Jeans, deren bloßer Anblick weh tat. Endlich fand sie in der Gabelung zweier Gassen, dort, wo früher ein alter Schuhmacher mit einer Lederschürze gesessen hatte, der ihre Schuhe besohlte und für seine Arbeit zwei oder drei Pence berechnete, einen Blumenladen. Sie ging hinein und kaufte einen großen Strauß für Doris. Keine Anemonen oder Narzissen, sondern exotischere Blumen. Nelken und Iris und Tulpen und Freesien, einen ganzen Armvoll, in raschelndes hellblaues Seidenpapier gewickelt. Ein Stück weiter erblickte sie ein Spirituosengeschäft und kaufte für Ernie eine Flasche Whisky, The Famous Grouse. Mit ihren Einkäufen beladen, setzte sie ihren Weg zu den Gassen am Hafen fort, die so schmal waren, daß es keine Gehsteige gab. Steile Granitstufen führten direkt von der Fahrbahn zu den in freundlichen Farben lackierten Türen der kleinen weißen Häuser.
Das Haus der Penberths war mitten in diesem Labyrinth versteckt. Hier hatte Ernie mit seinen Eltern gewohnt, und diese Gassen waren Doris und sie in den Kriegswintern oft hinuntergegangen, um die alte Mrs. Penberth zu besuchen, Safrangebäck zu essen und starken Tee aus einer rosa Kanne zu trinken.
Während sie nun an all das zurückdachte, fand sie es sonderbar, daß sie so lange gebraucht hatte, um zu sehen, daß Ernie Doris in seiner schüchternen und schweigsamen Art den Hof gemacht hatte. Vielleicht war es doch nicht so sonderbar. Er war ein Mann, der wenig Worte machte, und seine Anwesenheit in Cam Cottage, wo er für drei arbeitete, ohne groß etwas zu sagen, wurde bald etwas Natürliches, das sie alle als selbstverständlich betrachteten. Oh, Ernie macht das schon, wurde eine stehende Redensart, die sie unweigerlich gebrauchten, wenn etwas wirklich Furchtbares zu tun war, wenn
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