Die Muschelsucher
zum Beispiel ein Huhn geschlachtet werden mußte oder wenn die Dachrinnen verstopft waren. Er erledigte es immer. Niemand sah ihn jemals als Ehekandidaten, er gehörte einfach zur Familie, und er war anspruchslos, nörgelte nie, hatte immer gute Laune. Der Groschen fiel erst im Herbst 1944. Als Penelope eines Morgens die Küche betrat, tranken Doris und Ernie zusammen Tee. Sie saßen am Tisch, und zwischen ihnen stand ein blauweißer Krug mit prachtvollen Dahlien.
Sie betrachtete die Szene. »Ernie, ich hab gar nicht gewußt, daß du da bist.«
Er war verlegen. »Ich hab nur schnell reingeschaut.« Er schob seine Tasse fort und stand auf.
Sie sah auf die Blumen. Da Dahlien soviel Arbeit machten, pflanzten sie in Cam Cottage keine mehr. »Woher sind die denn?« Ernie schob seine Mütze nach hinten und kratzte sich den Kopf. »Mein Dad zieht sie auf seiner Parzelle. Ich hab ein paar mitgebracht. für euch.«
»Ich habe noch nie so schöne gesehen. Sie sind riesig.«
»Ja.« Ernie zog seine Mütze wieder vor und trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich werde noch etwas Feuerholz hacken.« Er ging zur Tür. Doris sagte: »Vielen Dank für die Blumen.«
Er drehte sich um und nickte. »Der Tee war sehr gut«, sagte er. Er ging. Augenblicke später ertönte vom Hof hinter dem Haus das Geräusch von Holzhacken.
Penelope setzte sich an den Tisch. Sie betrachtete die Blumen. Dann sah sie zu Doris hinüber, die ihrem Blick auswich. Sie sagte: »Ich hab so ein komisches Gefühl, daß ich gestört habe.«
»Wieso?«
»Ich weiß nicht. Sag mir’s.«
»Da gibt’s nichts zu sagen.«
»Er hat die Blumen doch nicht uns mitgebracht, nicht wahr? Er hat sie dir mitgebracht.«
Doris warf den Kopf zurück. »Ist doch egal, wem er sie mitgebracht hat.«
Da dämmerte es Penelope, und sie konnte nicht fassen, daß sie es nicht schon vorher gemerkt hatte. »Doris, ich glaube, da spinnt sich was an.«
Doris wehrte sofort ab. »Mit Ernie Penberth? Du mußt dir schon was Besseres einfallen lassen.«
Aber Penelope ließ nicht locker. »Hat er je etwas zu dir gesagt?«
»Er redet doch nie viel.«
»Aber du magst ihn?«
»Ich habe nichts gegen ihn.«
Sie tat zu gleichgültig, um glaubwürdig zu wirken. Es lag etwas in der Luft. »Er macht dir den Hof!«
»Was?« Doris sprang auf und sammelte unter lautem Geklapper die Tassen und Untertassen zusammen. »Er würde nie in seinem Leben jemand den Hof machen.« Sie stellte das Geschirr auf das Abtropfbrett und drehte die Hähne auf. »Außerdem« - sie hob die Stimme, um das Rauschen zu übertönen - »sieht er ein bißchen mickrig aus.«
»Du würdest nie einen netteren...«
»Und ich habe nicht die Absicht, den Rest meiner Tage mit jemandem zu verbringen, der nicht mal so groß ist wie ich.«
»Daß er nicht wie Gary Cooper aussieht, ist kein Grund, die Nase hoch zu tragen. Und ich finde, daß er sehr gut aussieht. Ich mag seine schwarzen Haare und seine dunkelbraunen Augen.«
Doris drehte die Hähne zu, wandte sich um und lehnte sich mit verschränkten Armen ans Spülbecken. »Aber er ist stumm wie ein Fisch, nicht?«
»Wenn du immer in einem fort redest, hat er ja kaum die Möglichkeit, ein Wort zu sagen. Außerdem sprechen Taten mehr als Worte.« Sie dachte nach, erinnerte sich. »Und er tut dauernd irgend etwas für dich. Er spannt die Wäscheleine neu und bringt dir leckere Sachen, die sein Vater unter dem Ladentisch für seine Lieblingskunden reserviert hat.«
»Na und?« Doris runzelte mißtrauisch die Stirn. »Willst du mich etwa mit Ernie Penberth verkuppeln? Willst du mich vielleicht loswerden oder so?«
»Ich denke einfach an dein zukünftiges Glück«, sagte Penelope salbungsvoll.
»Red keinen Quatsch. Hör zu, an dem Tag, als wir hörten, daß Sophie tot war, habe ich mir geschworen, so lange hier zu bleiben, bis der verdammte Krieg vorbei ist. Und als Richard gefallen ist. Na ja, da war ich noch fester entschlossen als vorher. Ich weiß nicht, was du machen wirst, ich meine, ob du zu Ambrose zurückgehen wirst oder nicht, aber du mußt einen Entschluß fassen, und ich werde hierbleiben, um dir irgendwie dabei zu helfen, egal, was du beschließt. Und wenn du zu ihm zurückgehst, wer soll sich dann um deinen Vater kümmern? Ich werd’s dir sagen. Ich werde mich um ihn kümmern. Also bitte kein Wort mehr über Ernie Penberth, ja?«
Sie hielt Wort. Sie wollte Ernie nicht heiraten, weil sie Papa nicht allein lassen wollte. Erst als der alte Mann gestorben war,
Weitere Kostenlose Bücher