Die Muschelsucher
nun Charles Rainiers Porträt von Sophie, das sie Doris nach der Beerdigung ihres Vaters geschenkt hatte. »Das kannst du mir doch nicht geben«, hatte Doris gesagt. »Warum nicht?«
»Das Bild von deiner Mutter?«
»Ich möchte, daß du es bekommst.«
»Aber warum ich?«
»Weil du Sophie genauso geliebt hast wie irgend jemand von uns.
Und du hast Papa auch geliebt und dich für mich um ihn gekümmert. Keine Tochter hätte mehr tun können.«
»Ich kann es nicht annehmen. Es ist zuviel.«
»Es ist nicht genug! Aber es ist alles, was ich dir geben kann.« Sie stand jetzt in der Mitte des Zimmers, betrachtete das Porträt und dachte, daß es selbst nach vierzig Jahren nichts von seinem Charme, seinem Zauber und seiner unbeschwerten Ausstrahlung verloren hatte. Sophie mit fünfundzwanzig Jahren, die etwas schräg stehenden Augen, das offene Lächeln und der Bubikopf, mit einem lässig um die sonnengebräunten Schultern geknoteten knallroten Seidentuch mit Fransen.
»Freust du dich, daß du es wiedersiehst?« fragte Doris. Penelope drehte sich um, als sie mit einer Vase mit dem hübsch arrangierten Blumenstrauß hereinkam und sie sorgsam in die Mitte eines kleinen Tisches stellte. »Ja. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es ist.«
»Ich wette, du wünschst, du hättest es nicht fortgegeben.«
»Nein. Ich freue mich einfach, es wiederzusehen.«
»Hebt das ganze Zimmer, nicht? Es ist schon oft bewundert worden. Man hat mir sogar einmal einen Haufen Geld dafür geboten, aber ich wollte es nicht verkaufen. Ich hätte es für nichts auf der Welt hergegeben. Aber setzen wir uns doch, und dann mußt du erzählen, ehe der gute Ernie zurückkommt, ich habe tausend Fragen. Ich wünschte, du könntest bei uns wohnen, ich hab dich so oft eingeladen. Wohnst du wirklich im Sands, bei all den Millionären? Hast du im Lotto gewonnen oder was?«
Penelope berichtete von ihren neuen Umständen. Sie erzählte von der allmählichen, wunderbaren Neueinschätzung der Bilder ihres Vaters, von Roy Brookner und dem Angebot für die beiden Tafelbilder.
Doris konnte nur staunen. »Hunderttausend für die beiden kleinen Bilder! Ich hätte es nie geglaubt. O Penelope, ich freu mich so für dich!«
»Und ich habe Die Muschelsucher dem Museum von Porthkerris geschenkt.«
»Ich weiß. Ich habe es in unserer Zeitung gelesen, und dann bin ich mit Ernie hingegangen, und wir haben sie uns angesehen. Es war irgendwie komisch, das Bild dort zu sehen. Hat alle möglichen Erinnerungen zurückgebracht. Aber wirst du es nicht vermissen?«
»Ein bißchen, nehme ich an. Aber das Leben geht weiter. Wir werden alle älter. Es wird langsam Zeit, unser Haus in Ordnung zu bringen.«
»Das kannst du zweimal sagen. Und wo du sagst, das Leben geht weiter - was sagst du zu Porthkerris? Ich wette, du hast es kaum wiedererkannt. Wir wissen nie, was sie als nächstes tun werden, und in den ersten beiden Jahren nach dem Krieg konnten die Bauunternehmer leider machen, was sie wollten, und haben alles verschandelt. Sie haben das Atelier deines Vaters abgerissen und dafür Ferienwohnungen hingestellt, mit Blick auf den Nordstrand. Und dann hatten wir ein paar Jahre die Hippies da, ich kann dir sagen, es war nicht sehr appetitlich. Sie haben am Strand geschlafen und überall hingemacht, wo sie wollten. Ekelhaft.« Penelope lachte.
»Und das alte White Caps ist auch in Ferienwohnungen umgewandelt. Und was Cam Cottage betrifft. Hast du nicht geweint, als du es gesehen hast? Der schöne Garten deiner Mutter. Ich hätte dir schreiben sollen, um dich zu warnen, wie es jetzt hier aussieht.«
»Ich bin froh, daß du es nicht getan hast. Wie dem auch sei, es spielt keine Rolle. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie spielt es keine Rolle mehr.«
»Das sollte man meinen, wo du oben im Sands im Luxus wohnst! Weißt du noch, daß es im Krieg Lazarett war? Wir hätten es nicht freiwillig betreten, höchstens mit zwei gebrochenen Beinen.«
»Doris, ich muß dir was sagen. Ich wohne nicht nur deshalb im Sands, weil ich mir auf einmal reich vorkomme. Der Hauptgrund ist, daß ich mit zwei jungen Freunden hier bin, und ich wußte, daß du nicht genug Platz für uns drei haben würdest.«
»Ach so. Wer sind die beiden?«
»Das Mädchen heißt Antonia. Ihr Vater ist kürzlich gestorben, und sie wohnt vorübergehend bei mir. Und ein junger Mann, er heißt Danus. Er hilft mir in Gloucestershire im Garten. Du wirst sie nachher kennenlernen. Sie finden, es ist zuviel für eine
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