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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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auch immer, sie hatten sie jedenfalls in den letzten Wochen ihres Lebens sehr glücklich gemacht, und dafür hatte sie ihnen auf ihre enorm großzügige Weise gedankt. Olivia sah auf ihre Uhr. Es war kurz vor zwölf. Danus und Antonia würden jeden Augenblick aus der Kirche zurückkommen. Sie stand auf und ging zum Fenster, um es zum letztenmal zu schließen und zu verriegeln. Sie blieb vor dem Spiegel stehen und musterte sich kurz, um sicherzugehen, daß die Tränen keine Spuren hinterlassen hatten. Dann nahm sie das Buch mit dem Brief und dem Foto, trat aus dem Zimmer und machte die Tür zu. Sie ging in die Küche, nahm den schweren eisernen Schürhaken und hob mit seiner Hilfe den Boilerdeckel ab. Ein Hitzeschwall schoß hoch und versengte ihre Wangen, und sie ließ Mamas Geheimnis in die rotglühenden Kohlen fallen und sah zu, wie es verbrannte. Es dauerte nur Sekunden, dann war es für immer fort.

Es war Mitte Juni und schon wie im Hochsommer. Der vorzeitige und warme Frühling hatte sein Versprechen gehalten - im ganzen Land herrschte eine Hitzewelle. Olivia genoß es. Sie freute sich über die von den Häusern abgestrahlte Wärme, über die fröhlichen Touristen, die in bunter Freizeitkleidung durch die Straßen spazierten, über die gestreiften Sonnenschirme vor den Pubs, über die Pärchen, die selig umschlungen im Schatten der Bäume im Park lagen. All das vereinigte sich zum Abbild eines mediterranen Landes, und während andere stöhnten, fühlte sie sich von ungeahnter Energie und Lebensfreude beseelt. Sie war wieder Miss Keeling in ihrer kreativsten Zeit, und Venus erforderte all ihre Aufmerksamkeit. Sie stellte fest, daß die Arbeit, die sie vollauf in Anspruch nahm, eine therapeutische Wirkung hatte, und verdrängte die Familie und alles, was geschehen war, vorerst aus ihrem Kopf. Seit Penelopes Beerdigung hatte sie weder Nancy noch Noel gesehen, nur von Zeit zu Zeit mit ihnen telefoniert. Podmore’s Thatch hatte, nachdem sie einen Makler mit dem Verkauf beauftragt hatten, sofort einen neuen Besitzer gefunden, zu einem Preis, der sogar Noels kühnste Träume übertroffen hatte. Als der notarielle Kaufvertrag abgeschlossen und die Einrichtung versteigert worden war, hatten Danus und Antonia das Haus verlassen. Danus hatte Mamas alten Volvo gekauft, sie hatten ihre wenigen Habseligkeiten darin verstaut und waren nach Westen gefahren, um sich nach einem Platz für die kleine Gärtnerei umzusehen, die sie aufmachen wollten. Sie hatten sie angerufen, um sich zu verabschieden, aber das war nun schon einen Monat her, und seitdem hatte sie noch nicht wieder von ihnen gehört.
    Nun, an einem Dienstagmorgen, saß sie an ihrem Schreibtisch. Sie hatte eine neue junge Moderedakteurin eingestellt und las gerade die Fahnen ihres ersten Beitrags. Sie selbst sind Ihr bestes Accessoire. Nicht schlecht. Reizte sofort zum Weiterlesen. Vergessen Sie Tücher, Ohrringe, Hüte. Konzentrieren Sie sich auf Augen, schimmernde Haut - die Ausstrahlung von Gesundheit und Lebensfreude...
    Die Gegensprechanlage summte. Ohne aufzusehen drückte sie auf die Taste. »Ja?«
    »Miss Keeling, ein Anruf für Sie«, sagte ihre Sekretärin. »Es ist Antonia. Wollen Sie mit ihr sprechen?«
    Antonia. Olivia zögerte. Antonia war aus ihrem Leben verschwunden und saß irgendwo im West Country. Warum rief sie aus heiterem Himmel an? Worüber wollte sie reden? Olivia haßte jede Art von Störung. Noch dazu um diese unmögliche Zeit. Sie seufzte, nahm die Brille ab und lehnte sich zurück. »Na gut, stellen Sie durch.« Sie griff nach dem Hörer. »Olivia?« Die vertraute junge Stimme. »Wo bist du?«
    »In London. Olivia, ich weiß, du bist schrecklich beschäftigt, aber könntest du es nicht einrichten, irgendwo zu lunchen?«
    »Heute?« Sie konnte nicht verhindern, daß ihre Stimme heftig klang. Ihr Terminkalender für heute war voll, und sie hatte eigentlich in der Mittagspause durcharbeiten und nur rasch am Schreibtisch ein Sandwich essen wollen. »Das ist ziemlich kurzfristig.«
    »Ich weiß, und es tut mir leid, aber es ist wirklich wichtig. Bitte, sag ja, wenn du es irgendwie einrichten kannst.«
    Ihre Stimme klang gehetzt. Was zum Teufel mochte da geschehen sein? Olivia griff widerwillig nach ihrem Terminkalender. Um halb zwölf eine Konferenz mit dem Verleger, und dann um zwei eine Besprechung mit dem Anzeigenchef. Sie überschlug rasch. Der Verleger würde sie wahrscheinlich nicht länger als eine Stunde beanspruchen, aber dann hätte

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