Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
und verantwortungsloser Mann keinen Gedanken zu verschwenden schien, hatte keine andere Möglichkeit gesehen, als das großzügige Angebot anzunehmen, und so wurde Cam Cottage schließlich verkauft.
    Danach hatte sie nicht mehr daran gedacht, nach Cornwall zurückzukehren. Als sie das Haus in der Oakley Street verkaufte, sprach sie ein paarmal beiläufig davon, dorthin zu ziehen, und sah sich schon in einem Haus aus Granitstein mit einer Palme im Garten, aber Nancy hatte energisch und wortreich dagegen protestiert, und vielleicht war es letzten Endes besser so. Und sie mußte Nancy Gerechtigkeit widerfahren lassen, denn als sie Podmore’s Thatch zum erstenmal gesehen hatte, wußte sie, daß sie hier und nirgendwo anders leben wollte.
    Aber trotzdem. Es wäre schön, noch einmal nach Porthkerris zurückzukehren, ehe sie für immer die Augen schließen würde. Sie könnte bei Doris wohnen. Vielleicht würde Olivia mitkommen.
    Olivia lenkte den Wagen durch das offene Tor, fuhr auf dem knirschenden Kies an dem windschiefen Holzschuppen vorbei, der als Garage und Geräteschuppen diente, und hielt an der Rückseite des Hauses. Die zur Hälfte verglaste Tür führte in einen gefliesten Windfang. Hier hingen Jacken und Regenmäntel, diverse Hüte zierten die Geweihenden eines von Motten heimgesuchten ausgestopften Hirschkopfs, und in einem blauweißen Schirmständer aus Keramik standen Regenschirme, Spazierstöcke und zwei oder drei alte Golfschläger. Der Windfang ging direkt in die warme Küche, wo es verlockend nach Braten duftete. »Mama?«
    Keine Antwort. Olivia durchquerte die Küche und ging in den Wintergarten, wo sie Penelope sofort am anderen Ende des Rasens erblickte. Sie hatte einen leeren Wäschekorb in der Hand, die frische Brise zauste an ihren Haaren, und sie stand da wie in Trance. Sie öffnete die Tür zum Garten und trat in den hellen und kalten Sonnenschein hinaus. »Hallo!«
    Penelope fuhr ein wenig zusammen, sah ihre Tochter und ging mit raschen Schritten auf sie zu, um sie zu begrüßen. »Liebling.«
    Olivia hatte sie seit der Krankheit nicht gesehen und betrachtete sie aufmerksam, um zu sehen, ob sie sich irgendwie verändert hatte. Sie fürchtete sich davor, doch abgesehen von der Tatsache, daß sie ein bißchen schmaler wirkte, schien sie bei bester Gesundheit zu sein, mit frischer Farbe auf den Wangen und ihrem normalen elastischen Gang. Sie wünschte, das Glück nicht aus ihrem Gesicht vertreiben zu müssen, indem sie ihr sagte, daß Cosmo tot war. Sie mußte auf einmal daran denken, daß Freunde für einen selbst so lange weiterleben, bis irgend jemand einem berichtet, daß sie gestorben sind. Vielleicht sollte man es besser verschweigen. »Olivia, wie schön, dich zu sehen!«
    »Was tust du denn da mit deinem leeren Wäschekorb?«
    »Nichts. Ich habe nur dagestanden und geschaut. Was für ein herrlicher Tag. Wie war die Fahrt?« Sie blickte über Olivias Schulter hinweg. »Wo ist dein Bekannter?«
    »Er ist beim Pub ausgestiegen, um eine Kleinigkeit für dich zu kaufen.«
    »Das wäre nicht nötig gewesen.«
    Sie ging an ihrer Tochter vorbei, und nachdem sie ihre Schuhe rasch auf der Matte gesäubert hatte, betrat sie den Wintergarten. Olivia folgte ihr und machte die Tür zu. Der Wintergarten hatte einen Plattenboden und war mit Rohrsesseln und Schemeln möbliert, auf denen Kissen mit verblichenen Kretonnebezügen zum Sitzen einluden. Er war ebenfalls gut geheizt und roch nach Topfpflanzen und den vielen Freesien, Penelopes Lieblingsblumen, die ringsum blühten.
    »Er war sehr rücksichtsvoll.« Sie stellte ihre Tasche auf den Holztisch. »Ich habe dir nämlich etwas zu sagen.« Penelope stellte den Wäschekorb neben die Tasche und drehte sich zu ihrer Tochter um. Das Lächeln schwand langsam aus ihrem Gesicht, und ihre schönen dunklen Augen blickten wachsam, doch ihre Stimme war fest und sonor wie immer, als sie sagte: »Olivia, du bist weiß wie ein Gespenst.«
    Das machte Olivia ein wenig Mut. Sie sagte: »Ich weiß. Ich habe es erst heute morgen erfahren. Es ist eine sehr traurige Nachricht. Cosmo ist tot.«
    »Cosmo. Cosmo Hamilton? Tot?«
    »Antonia hat mich aus Ibiza angerufen.«
    »Cosmo«, sagte sie noch einmal fassungslos, und jeder Glanz war aus ihren Augen gewichen. »Ich kann es nicht glauben. der liebe Mann.« Wie Olivia gewußt hatte, weinte sie nicht. Sie weinte nie. Olivia hatte ihre Mutter noch nie weinen gesehen. Aber ihre Wangen waren fahl geworden, und sie preßte

Weitere Kostenlose Bücher