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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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vielleicht schon eine mondäne oder anspruchsvolle junge Dame.«
    »Den Eindruck hat sie am Telefon ganz und gar nicht gemacht. Sie klang genauso wie früher. Und wenn sie sich nach Trubel und Discos und jungen Männern sehnt, bringen wir sie einfach mit Noel zusammen.«
    Gott bewahre. Aber Penelope sagte nichts. »Wann wird sie kommen?«
    »Sie will Dienstag nach London kommen. Ich könnte sie nächstes Wochenende herbringen.«
    Sie betrachtete ihre Mutter besorgt und hoffte inständig, daß sie zustimmen würde, aber Penelope sagte nichts und schien an etwas ganz anderes zu denken, denn ihr Gesicht nahm einen belustigten Ausdruck an, und ihre Augen blitzten auf einmal fröhlich. »Habe ich etwas Komisches gesagt?«
    »Wie bitte? Nein. Ich muß nur an die Tage am Strand denken, als Antonia Surfen lernte. All die Leute, die ringsum in der Sonne brieten, und die alten Frauen mit ihren schlaffen und runzeligen Brüsten. Weißt du noch, wie wir gelacht haben?«
    »Ich werde es nie vergessen.«
    »Was für eine glückliche Zeit das war.«
    »Ja. Es war himmlisch. Kann sie kommen?«
    »Ob sie kommen kann? Natürlich kann sie kommen, wenn sie möchte. Solange sie will. Es wird mir guttun. Es wird mich wieder jung machen.«
    Als Hank eintraf, war die Krise überstanden, Penelope hatte den Vorschlag ihrer Tochter angenommen und verdrängte ihren Kummer, die Trauer und den Schock einstweilen. Das Leben ging weiter, und, angeregt von dem Cognac und der Gesellschaft ihrer Mutter, hatte Olivia das Gefühl, daß sie langsam alles wieder in den Griff bekam. Als es läutete, sprang sie auf und lief durch die Küche, um Hank hereinzulassen. Er hatte eine große braune Tragetüte dabei, die er Penelope pflichtschuldigst überreichte, als Olivia ihn vorstellte. Penelope stellte sie auf den Tisch, und da sie neugierig war, packte sie die Tüte sofort aus, aber das war Gästen, die etwas mitbrachten, ohnehin viel lieber, als ihr Geschenk unbeachtet in einer Ecke landen zu sehen. Sie holte die beiden Flaschen aus der Tüte, entfernte das Seidenpapier und stieß einen Freudenschrei aus. »Chateau Latour, Premier grand cru classé! Das kann ich doch überhaupt nicht annehmen. Sagen Sie nicht, Sie hätten Mr. Hodkins von Sudeley Arms überredet, sich davon zu trennen!«
    »Nun, wie Olivia sagte. Als er hörte, für wen sie bestimmt waren, konnte er es kaum abwarten, sie aus dem Keller zu holen.«
    »Ich wußte gar nicht, daß er da solche Schätze aufbewahrt. Aber es geschehen noch Wunder. Vielen, vielen Dank. Wir könnten sie zum Lunch trinken, aber ich habe schon einen anderen Wein aufgemacht. «
    »Sie bewahren sie auf, bis Sie etwas zu feiern haben«, schlug er vor.
    »Das werde ich tun.« Sie stellte sie auf die Kommode, und Hank zog seinen Mantel aus. Olivia hängte ihn zu den alten Trenchcoats im Windfang, und dann gingen sie alle im Gänsemarsch ins Wohnzimmer.
    Es war nicht groß, und Olivia wunderte sich immer wieder, wie ihre Mutter es bloß geschafft hatte, hier Platz für all die vielen Dinge zu finden, an denen sie hing. Alte Sofas und Sessel mit losen Matratzenbezügen, die sie mit bunten indischen Tagesdecken bedeckt hatte. Überall Kissen mit Gobelinbezügen. Ihr Sekretär war wie immer aufgeklappt, und auf der Schreibtischplatte lagen Stöße von Briefen und Rechnungen. Ihr Nähtisch, ihre Lampen. Die wertvollen alten Brücken bedeckten fast die ganze Auslegeware aus Nadelfilz. Bücher und Bilder und farbig gemusterte Keramikkrüge mit getrockneten Blumen. Fotos, Nippes und kleine Silbergegenstände bedeckten so gut wie alle waagerechten Flächen, die nicht von Zeitschriften, Zeitungen, Pflanzenkatalogen und Strickzeug eingenommen wurden. Diese vier Wände bargen die Freuden und Hobbys eines tätigen Lebens, doch wie alle Leute, die das Zimmer zum erstenmal betraten, sah Hank als erstes das Gemälde über dem breiten offenen Kamin. Er starrte wie gebannt darauf. Es war ungefähr anderthalb mal einen Meter groß und beherrschte den Raum. Die Muschelsucher. Olivia wußte, daß ihre Mutter nie müde wurde, es zu betrachten, obgleich sie mehr als ihr halbes Leben mit dem Bild verbracht hatte. Es traf einen wie eine kalte, salzhaltige Bö. Der bewegte Himmel, an dem die Wolken schnell dahinzogen; das von Schaumkronen bedeckte Meer, die Wellen, die sich gischtend am Ufer brachen. Die feinen Abstufungen von Rosa und Grau, aus denen der Sand bestand, die seichten Tümpel, die von der Ebbe übriggeblieben waren und die das

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