Die Muschelsucher
instinktiv, wie um ein heftig pochendes Herz zu beruhigen, eine Hand auf die Brust. »Dieser liebe, liebe Mann. O Liebling, es tut mir so leid. Ihr habt euch soviel bedeutet. Wie fühlst du dich?«
»Wie fühlst du dich? Ich hatte schreckliche Angst davor, es dir zu erzählen.«
»Nur fassungslos. Es ist so plötzlich.« Sie streckte die Hand aus, tastete nach einem Stuhl und bekam einen zu fassen. Sie setzte sich langsam hin. Olivia erschrak. »Mama?«
»Entschuldige. Ich habe so ein komisches Gefühl.«
»Wie wär’s mit einem Cognac?«
Penelope lächelte schwach und schloß die Augen. »Großartige Idee.«
»Ich hol dir einen.«
»Er steht in -.«
»Ich weiß, wo er steht.« Sie zog einen Schemel heran. »Da, es ist besser, wenn du deine Beine hochlegst. Bleib so, ich bin sofort wieder da.«
Der Cognac stand in der Anrichte im Eßzimmer. Sie nahm ihn heraus und ging damit in die Küche, holte zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte großzügig ein. Ihre Hand zitterte, und die Flasche stieß an das eine Glas. Sie verschüttete ein bißchen auf der Tischplatte, aber das war nicht weiter wichtig. Wichtig waren jetzt nur Mama und ihr angegriffenes Herz. Daß sie bloß keinen zweiten Anfall bekommt. O lieber Gott, laß sie nicht noch einen Herzanfall haben. Sie nahm die Gläser und ging damit in den Wintergarten zurück. » Hier.«
Sie drückte ihrer Mutter ein Glas in die Hand. Sie tranken schweigend, in kleinen Schlucken. Das starke Getränk erwärmte und beruhigte. Als Penelope ein paarmal genippt hatte, brachte sie ein schwaches Lächeln zustande.
»Glaubst du, es ist ein Zeichen von Altersschwäche, wenn man so dringend einen Schnaps braucht?«
»Bestimmt nicht. Ich habe ihn ebenso dringend nötig.«
»Mein armer Liebling.« Sie trank noch ein wenig. Die Farbe kehrte langsam in ihre Wangen zurück. »So«, sagte sie.
»Erzähl bitte noch mal, von Anfang an.«
Olivia tat es. Aber es gab nicht viel zu erzählen. Als sie ausgeredet hatte, sagte Penelope: »Du hast ihn geliebt, nicht wahr.« Sie sagte es nicht als Frage, sondern wie eine Feststellung.
»Ja. Er ist in jenem Jahr wie ein Teil von mir geworden. Er hat mich geändert, wie mich noch niemand geändert hat.«
»Du hättest ihn heiraten sollen.«
»Er wollte es. Aber ich konnte nicht, Mama. Ich konnte nicht.«
»Ich wünschte, du hättest es getan.«
»Wünsch das bitte nicht. Ich wäre alles in allem nie so zufrieden gewesen, wie ich es jetzt bin.«
Penelope nickte. Sie verstand. Und sie akzeptierte. »Und Antonia?
Was ist mit ihr? Das arme Kind. War sie da, als es passiert ist?«
»Ja.«
»Was wird aus ihr werden? Wird sie in Ibiza bleiben?«
»Nein. Sie kann nicht. Das Haus hat Cosmo nicht gehört. Sie hat keinen Platz, wohin sie gehen kann. Und ihre Mutter hat wieder geheiratet und lebt im Norden. Und viel Geld ist nicht da.«
»Aber was will sie tun?«
»Sie kommt nach England zurück. Nächste Woche. Nach London.
Sie wird ein paar Tage bei mir wohnen. Sie sagt, sie muß sich eine Arbeitsuchen.«
»Aber sie ist noch so jung. Wie alt ist sie jetzt?«
»Achtzehn. Sie ist kein Kind mehr.«
»Sie war ein so liebes kleines Mädchen.«
»Würdest du sie gern wiedersehen?«
»O ja, unbedingt.«
»Würdest du.« Olivia nahm noch einen Schluck Cognac. Er brannte in ihrer Kehle, erwärmte ihren Magen, füllte sie mit Kraft und Mut. »Möchtest du sie vielleicht eine Zeitlang hier haben?
Vielleicht ein paar Monate?«
»Warum fragst du das?«
»Aus verschiedenen Gründen. Weil ich glaube, daß sie Zeit brauchen wird, um alles zu verarbeiten und zu überlegen, was sie mit ihrem Leben machen soll. Und auch, weil Nancy mir dauernd erzählt, daß der Arzt gesagt hat, du solltest nach dem Herzanfall nicht mehr allein hier wohnen.«
»Der Arzt redet Unsinn«, widersprach Penelope energisch. Der Cognac hatte auch sie erwärmt.
»Das glaube ich auch, aber Nancy gibt keine Ruhe, und sie wird den Hörer erst dann wieder aus der Hand legen, wenn jemand bei dir ist. Also, wenn du Antonia aufnimmst, tust du auch mir einen Gefallen. Und es würde dir Spaß machen. Oder nicht? Ihr habt damals in Ibiza ständig die Köpfe zusammengesteckt und gelacht. Sie wäre eine angenehme Gesellschaft für dich, und du könntest ihr helfen, über die schwierige Zeit hinwegzukommen.« Aber Penelope war noch nicht überzeugt.
»Wäre es nicht furchtbar langweilig für sie? Ich führe kein sehr aufregendes Leben, und sie ist jetzt, mit achtzehn Jahren,
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