Die Muschelsucher
Million. Ich kann mir soviel Geld kaum vorstellen.«
»Man müßte es natürlich versteuern.«
»Aber trotzdem! Wir müssen zu ihr. Ich habe sie sowieso schon viel zu lange nicht mehr besucht. Es ist höchste Zeit, daß ich nachsehe, wie sie zurechtkommt. Und dabei kann ich das Thema zur Sprache bringen. Natürlich sehr vorsichtig.« George blickte zweifelnd drein. Sie wußten beide, daß Takt nicht Nancys stärkste Seite war. »Ich rufe sie gleich an.«
»Mutter.«
»Oh, Nancy.«
»Wie geht es dir?«
»Sehr gut. Und dir?«
»Nicht zuviel Arbeit?«
»Meinst du dich oder mich?«
»Dich natürlich. Hat der Gärtner schon angefangen?«
»Ja, Montag, und heute ist er wieder dagewesen.«
»Hoffentlich arbeitet er auch anständig.«
»Ja, ich bin sehr zufrieden.«
»Und hast du noch mal darüber nachgedacht, jemanden zu dir ins Haus zu nehmen? Ich habe eine Anzeige im Lokalblatt aufgegeben, aber leider hat sich niemand gemeldet. Kein einziger Anruf.«
»Oh, darüber brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Antonia kommt morgen abend, und sie wird eine Zeitlang bei mir bleiben.«
»Antonia? Wer ist Antonia?«
»Antonia Hamilton. Oh, ich fürchte, wir haben ganz vergessen, es dir zu sagen. Ich dachte, Olivia hätte dich vielleicht angerufen.«
»Nein«, erwiderte Nancy frostig. »Mich hat niemand angerufen.«
»Nun ja, dieser nette Mann aus Ibiza, du weißt schon, der Mann, mit dem Olivia zusammen war, es ist furchtbar traurig, er ist gestorben. Deshalb wird seine Tochter eine Weile hier bei mir wohnen, um über alles hinwegzukommen und in Ruhe zu überlegen, was sie tun wird.«
Nancy war empört. »Also, ich muß schon sagen, ich finde, irgend jemand hätte mir vielleicht Bescheid sagen sollen. Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich nicht extra zur Zeitung gegangen, um die Annonce aufzugeben.«
»Entschuldige bitte, Liebling, aber bei alldem, was in letzter Zeit passiert ist, habe ich es einfach vergessen. Äh. Wie dem auch sei, es bedeutet jedenfalls, daß du dir keine Sorgen mehr zu machen brauchst.«
»Aber, Mutter, was für ein Mädchen ist sie überhaupt?«
»Sie ist auf jeden Fall sehr nett.«
»Wie alt?«
»Erst achtzehn. Sie wird mir großartig Gesellschaft leisten können. Ich freue mich schon darauf.«
»Wann kommt sie?«
»Ich hab’s dir doch eben gesagt. Morgen abend. Noel bringt sie von London mit. Er bleibt das Wochenende über und räumt den Dachboden auf. Er und Olivia finden, daß das Brandrisiko zu groß ist.« Sie wartete kurz, und da Nancy nichts sagte, fuhr sie fort. »Warum kommt ihr Sonntag nicht alle herüber, und wir essen zusammen? Die Kinder natürlich auch. Dann kannst du Noel sehen und Antonia kennenlernen.« Und die Bilder zur Sprache bringen.
»Oh.« Nancy zögerte. »Ich glaube, es ließe sich einrichten. Wenn du einen Moment warten könntest, ich will es George sagen.« Sie ließ den Hörer vom Wandapparat baumeln und suchte ihren Mann. Sie brauchte nicht weit zu gehen. Sie fand ihn, wie sie sich gedacht hatte, in seinem Ohrensessel vergraben hinter der Times. »George.« Er ließ die Zeitung sinken. »Sie hat uns für Sonntag zum Essen eingeladen.« Sie zischelte es, als könne ihre Mutter sie verstehen, obgleich das Telefon ein ganzes Stück außer Hörweite war. »Ich kann nicht«, sagte George wie aus der Pistole geschossen. »Ich habe ein Essen und dann eine Besprechung mit dem Kirchenbauamt und kann auf keinen Fall absagen.«
»Dann fahre ich mit den Kindern.«
»Ich dachte, die Kinder wollten Sonntag zu den Wainwrights.«
»Ach, wollten sie? Na ja, dann fahre ich eben allein.«
»Es scheint nichts anderes übrigzubleiben«, bemerkte George abschließend.
Nancy ging zum Telefon zurück. »Mutter?«
»Ja, ich bin noch da.«
»George und die Kinder haben Sonntag anscheinend anderweitige Verpflichtungen, aber ich würde gerne kommen, wenn es dir recht ist.«
»Gut, dann kommst du eben allein.« (Klang Mutter ein wenig erleichtert? Nancy drängte den Gedanken beiseite.) »Ich freue mich.
Komm gegen zwölf, dann haben wir noch etwas Zeit für uns. Bis dann.«
Nancy legte auf und ging zu George, um ihn zu informieren. Dann lamentierte sie über die Gedankenlosigkeit und Arroganz ihrer Schwester, die ohne weiteres eine Gesellschafterin für ihre Mutter gefunden und es nicht einmal für nötig gehalten hatte, ihr Bescheid zu geben.
». und stell dir vor, sie ist erst achtzehn! Wahrscheinlich irgendein Flittchen, das den ganzen Tag im Bett liegt und
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