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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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erwartet, daß man sie bedient. Mutter wird also noch mehr Arbeit haben als sowieso schon. Du findest doch auch, Olivia hätte mir vielleicht Bescheid sagen können, nicht? Sie hätte mich wenigstens kurz anrufen können, um es zu besprechen. Ich habe schließlich die Verantwortung übernommen, auf Mutter achtzugeben, und trotzdem denkt keiner von ihnen je an mich. Ich finde es unglaublich rücksichtslos. George?«
    Aber George hatte abgeschaltet und hörte nicht mehr zu. Nancy seufzte, wandte sich ab und ging zurück in die Küche, um ihren Groll an den restlichen Rosenkohlröschen auszulassen.
    Noel und Antonia trafen erst um zwanzig vor neun aus London ein, als Penelope sie bereits in einem Knäuel von Blech und Stahl (dem Jaguar) am Rand der Schnellstraße verschieden wähnte. Die Nacht war pechschwarz, und es regnete in Strömen, und sie war alle paar Minuten ans Küchenfenster getreten und hatte in die Richtung zur Straße gespäht, und sich schon überlegt, ob sie die Polizei anrufen solle, als sie hörte, wie ein Auto in schnellem Tempo die Straße herunterbrauste, bremste und - Gott sei Dank - durch das Tor zur Hintertür rollte.
    Sie holte tief Luft und zwang sich, ruhiger zu werden. Nichts machte Noel so ärgerlich wie Vorhaltungen über seine mangelnde Pünktlichkeit oder seine Fahrweise, und wenn sie erst um sechs oder noch später aus London weggefahren waren, hätte sie sich ohnehin nicht so aufzuregen brauchen. Sie vergaß ihre Befürchtungen, setzte eine gelassene Miene auf, drehte sich um, schaltete die Außenbeleuchtung an und öffnete lächelnd die Tür.
    Sie sah die langen, schnittigen Umrisse von Noels Auto, das selbst bei diesem Licht ein bißchen ramponiert wirkte. Er war bereits ausgestiegen und ging zur Beifahrerseite, um die andere Tür aufzumachen. Antonia stieg aus und zerrte ein Gepäckstück, offenbar einen Seesack, hinter sich aus dem Wagen. Sie hörte, wie Noel sagte: »Sie laufen besser, damit Sie nicht naß werden«, und eben das tat sie und rannte mit gesenktem Kopf zum Windfang, Penelope geradewegs in die Arme.
    Sie ließ den Seesack auf den Vorleger fallen, und sie umarmten sich und hielten einander ganz fest, Penelope voll Erleichterung und Zärtlichkeit und Antonia einfach dankbar dafür, daß sie endlich sicher und geborgen war, bei dem wohl einzigen Menschen, bei dem sie im Moment sein wollte.
    »Antonia!« Sie traten einen Schritt auseinander, aber Penelope hielt immer noch ihren Arm und zog sie aus dem kalten Windfang in die gut geheizte Küche. »Oh, ich dachte schon, ihr würdet es nicht mehr hierher schaffen.«
    »Ich auch.«
    Sie sah noch fast so aus wie damals, mit dreizehn. Natürlich größer, aber noch ebenso schlank. sie hatte eine sehr hübsche Figur, wunderbar lange Beine. und ihr Gesicht war größer geworden, so daß der Mund nun dazu paßte, aber ansonsten schien sich nicht viel geändert zu haben. Sie hatte noch die Sommersprossen auf der Nase, die etwas schräg stehenden, grünlichen Augen, die langen, dichten hellblonden Wimpern. Das dichte, glatte rotgoldene Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel. Sie hatte sogar ähnliche Sachen an wie damals, Jeans und ein weißes Sweatshirt und einen dicken Herrenpullover mit V-Ausschnitt.
    »Ich freu mich so, daß du da bist. Wie war die Fahrt? War der Regen sehr schlimm?«
    »Ziemlich schlimm.«
    Antonia drehte sich zu Noel um, der in diesem Augenblick mit ihrem Koffer, seiner Reisetasche und mit dem Seesack, den sie im Windfang fallengelassen hatte, zur Tür hereinkam. »O Noel.« Er stellte das Gepäck ab. »Was für ein schreckliches Wetter.«
    »Hoffentlich regnet es nicht das ganze Wochenende, sonst werden wir zu nichts kommen.« Er schnupperte. »Hier riecht es lecker.«
    »Schäferpastete«, sagte Penelope. »Ich sterbe vor Hunger.«
    »Kein Wunder, nach der Fahrt. Ich geh nur schnell mit Antonia nach oben und zeige ihr das Zimmer, und dann können wir gleich essen. Mach dir inzwischen etwas zu trinken. Ich bin sicher, du kannst einen Drink gebrauchen. Wir sind gleich wieder unten. Komm, Antonia.«
    Sie nahm den Seesack, und Antonia nahm den Koffer, und dann gingen sie nach oben, über den winzigen Flur, in das erste Zimmer und dann in den Raum unmittelbar dahinter. »Was für ein schönes Haus«, sagte Antonia hinter ihrer Gastgeberin.
    »Es ist allerdings nicht sehr privat hier. Alle Zimmer gehen ineinander. «
    »Wie in Ca’n D’alt.«
    »Es waren ursprünglich zwei aneinandergebaute Häuser. Es gibt

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