Die Muse des Mörders (German Edition)
hinterher und blickte sich neugierig um.
Das Décadence war, wie er aus dem Internet wusste, ein privat betriebener Club, dessen Räume nach Themen sortiert und eingerichtet waren. Es gab unter anderem einen mittelalterlichen Folterkeller, eine Klinik und ein Klassenzimmer. Huren, die sich auf Sadomaso spezialisiert hatten und sich darum Dominas oder Zofen nannten, konnten die Räumlichkeiten für sich und ihre Freier mieten. Während die Dominas dafür zuständig waren, Männer zu erniedrigen, ihnen Schmerzen zuzufügen und ihnen in verschiedensten Rollenspielen das Gefühl zu geben, macht- und wehrlos zu sein, war es mit den Zofen etwas komplizierter. Sie waren devote Dienerinnen der Dominas, die es sich jedoch erarbeiten konnten, auch eigene Kunden empfangen zu dürfen.
Das Décadence war einer der exklusiveren Clubs dieser Art in Wien, trotzdem machte es einen schäbigen Eindruck. Der Lack blätterte an einigen Stellen von den Wänden und auch der schwarze Kachelboden hatte schon bessere Zeiten gesehen.
Sie erreichten eine Treppe, die sowohl nach oben als auch nach unten führte. Lautes Gestöhne aus dem Obergeschoß hallte durch den Flur. Zofe Carla beachtete es gar nicht und ging schnellen Schrittes hinab in den Keller.
»Ist das dein erstes Mal?« Unten angekommen blieb sie stehen und wirkte nun selbstsicherer. Als fühle sie sich zu Hause.
»Nein«, log er, »aber mein erstes Mal hier.«
»Ja, du wärst mir aufgefallen.« Wieder dieses Lächeln. Er hätte sie gerne im Tageslicht gesehen, um zu erkennen, wie alt sie war.
»Wer weiß, vielleicht komme ich ja öfter. Nach heute Nacht.«
»Ich wette, das wirst du.« Sie grinste gewinnend, drehte sich um und lief weiter.
Ich wette dagegen.
Laut Webseite gab es hier unten ein geräumiges Bad, einen Dark Room, einen weiteren Folterkeller mit Andreaskreuz und Pranger sowie das sogenannte Verhörzimmer. Zofe Carla strebte auf die letzte Tür an der linken Seite zu. Zu ihrer Rechten, etwa auf mittlerer Höhe des schmalen Flures, war eine Tür nur angelehnt. Er warf einen flüchtigen Blick in den schummrig erleuchteten Raum dahinter und erblickte einen Mann, der auf einem Stuhl saß, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Über seinem Kopf baumelte eine nackte Glühbirne und vor ihm, mit dem Rücken zur Tür, stand eine große Schwarzhaarige in Polizeiuniform. Das musste dann also der Verhörraum sein. Der Mann auf dem Stuhl war nackt und in seinem Mund steckte ein roter Gummiball, der wie eine Pferdetrense mit zwei Lederriemen, die sich am Hinterkopf trafen, befestigt war. Seine Brustwarzen waren durch eine Kette verbunden, die links und rechts in zwei metallenen Klammern endete, und die Domina ließ in regelmäßigen Abständen Wachs aus einer Kerze auf seine grau melierten Haare tropfen.
Carla drehte sich im Gehen zu ihm um.
»Komm schon, mit mir kannst du echten Spaß haben, nicht nur Zuschau-Spaß.«
Ja, darauf wette ich.
Sie öffnete die Tür zu einem weiteren Raum und verschwand darin. Er gönnte sich einen letzten Moment des Zögerns. Noch konnte er abhauen, einfach verschwinden. Es war finster genug hier drinnen, dass sie sich an sein Gesicht nicht würde erinnern können. Ein winziger Teil von ihm flehte ihn an, zu gehen und nicht noch tiefer zu sinken. Der weitaus größere Teil, der Teil, der längst seinem dunklen Stern gehörte, wollte Zofe Carlas langen Beinen folgen.
Das Bad war ein hell erleuchteter Raum. Auf den ersten Blick sah es aus wie das Badezimmer einer ganz normalen Familie. Es gab eine Wanne, vor der ein Duschvorhang hing, ein Waschbecken und eine Toilette. Die Zofe in ihrem Lackoutfit wirkte fast deplatziert. Er schloss die Tür hinter sich, sah sich um und fragte sich, was dieser Raum mit irgendwelchen Sadomaso-Techniken zu tun haben sollte. Er entdeckte keine der klassischen Utensilien, die dazu da waren, Lust und Schmerz zu bereiten.
Zofe Carla lehnte sich ans Waschbecken und sah ihm grinsend zu. Hier im Licht musterte sie ihn noch einmal von Neuem. Auch er betrachtete sie genauer und schätzte sie auf keinen Tag älter als fünfundzwanzig.
»Ich weiß, was du gerade denkst.« Sie griff sich mit beiden Händen an die Brüste und lachte. »Du irrst dich aber, die sind echt.«
Die kleine Nutte hat keine Ahnung, Kumpel. Keine Ahnung davon, was du denkst.
Er lächelte schief.
»In deiner Anzeige stand nicht, was für heute Nacht genau geplant ist.«
»Nein, das wollte ich lieber persönlich
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