Die Muse des Mörders (German Edition)
Freundin traf. Marie machte sich nie Sorgen um ihn. Für sie war er der perfekte Vater. Ich hatte ihr nicht von meinem unheimlichen Erlebnis mit ihm erzählt, da ich sie nicht erschrecken wollte. Wir küssten uns und da erschien er in der Tür. Marie erstarrte und ich stammelte, dass wir uns liebten und dass ich ihm gegenüber nicht respektlos sein wollte. Ich führte mich vermutlich wie ein ziemlicher Idiot auf und Renés Blick sagte alles. In seinen Augen war Hass und noch mehr als das. Gefühle, für die ich keinen Namen kenne.
»Pack deine Sachen«, sagte er, »und verschwinde!« Damit ging er.
Ich wusste nicht, was ich erwidern oder tun sollte. Ich hatte mit einem Streit gerechnet, mit Diskussionen, aber nicht damit, dass er so eiskalt sein würde. Marie rannte ihm hinterher, ich hörte, wie sie weinte und schrie und wie er aufgebracht mit ihr redete. Ich wartete kurz im Wohnzimmer, dann ging ich hinterher. Die beiden standen in der Küche.
Als Marie mich sah, schüttelte sie heftig den Kopf und schlug die Tür zu. Sie kannte ihren Vater besser als ich. Sie hoffte, dass sie ihn beruhigen könnte. Ich setzte mich auf die Treppe und wartete.
Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte Angst, dass er ihr etwas tun würde, und gleichzeitig wusste ich, dass die Sache endgültig eskalieren würde, wenn ich ihr Gespräch jetzt unterbrach. Maries Stimme klang immer hysterischer und Renés immer ruhiger.
Als die Tür schließlich wieder aufging, hoffte ich zuerst, dass sich alles geklärt hatte. Doch dann sah ich Marie. Sie saß auf der Küchenbank und weinte. Ihr Vater musterte mich kalt.
»Du bist ja immer noch da«, schrie er. »Packst du jetzt verdammt noch mal deine Sachen oder soll ich sie packen?« Noch immer war da diese Kälte in seinen Augen.
Ich versuchte, normal mit ihm zu reden, aber er wollte mir nicht zuhören. Er machte mir keine Vorwürfe, beschimpfte mich nicht, griff mich nicht an. Er ließ mich einfach weder bleiben noch ein letztes Mal mit Marie sprechen.
»In zehn Minuten bist du weg«, sagte er und die Art, wie er es sagte, ließ mich nicht daran zweifeln, dass er dafür sorgen würde. Also ging ich.
Ich nahm mir ein Zimmer in einer Jugendherberge und dachte die ganze Zeit nur daran, dass Marie mit ihm allein war. Mitten in der Nacht lief ich noch einmal zu ihrem Haus. Es war alles ruhig.
Am nächsten Tag erreichte ich Marie auf ihrem Handy. Uns war beiden klar, dass wir uns nicht trennen würden. Von da an mussten wir noch vorsichtiger sein. Manchmal trafen wir uns nachts heimlich, manchmal holte ich sie von der Schule ab, aber das reichte uns nicht. Wir wollten richtig zusammen sein, wollten uns nicht mehr verstecken müssen. Marie ahnte, dass sie sich zwischen ihrem Vater und mir entscheiden würde müssen. Ich merkte, wie schwer ihr das fiel, und drängte sie zu nichts. Doch je länger unser Versteckspiel dauerte, desto trauriger wurde sie. Also planten wir, gemeinsam fortzugehen.
Wir stellten uns das romantisch vor. Marie malte sich unser Leben in allen Details aus und von Tag zu Tag war ich mir sicherer, dass es der einzige Weg für uns war. Einfach zu verschwinden und neu anzufangen. Ich versuchte, Geld aufzutreiben. Verkaufte die wenigen Arbeiten, die mir gehörten, und arbeitete in einer Bar. Ich wollte mit Marie nicht auf der Straße leben, sondern ihr ein gutes Leben bieten. Ohne, dass ihr Vater die Kontrolle über uns hatte. Ich hatte eine richtige Wut auf René entwickelt. Von mir aus konnte er in seiner Werkstatt verrotten und sich sein ganzes Leben lang Vorwürfe machen, dass er es nicht akzeptieren hatte können, dass seine Tochter erwachsen und glücklich wurde.
Dienstagnacht letzte Woche sollte es soweit sein. Ich hatte alles zusammen, was wir brauchten. Ungefähr tausend Euro, Tickets nach Genf und eine vorläufige Bleibe. Ich habe Freunde und Bekannte dort und war mir sicher, dass wir es irgendwie schaffen würden. Meine Sachen hatte ich schon zum Bahnhof gebracht. Es war nach Mitternacht und ich lief zu Fuß zu ihrem Haus. Wir hatten telefoniert, sie wusste Bescheid, dass ich kommen würde, um sie abzuholen. Es war eine warme Nacht, schwül wie im Sommer. Ich war vorsichtig und schlich durch Gassen und Hinterhöfe.
Vielleicht war das ein bisschen kindisch, um ein großes Abenteuer aus der ganzen Sache zu machen. So oder so, seit dieser Nacht wünsche ich mir, dass ich den normalen Weg genommen hätte. Kurz bevor ich da war, hörte ich
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