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Die Muse des Mörders (German Edition)

Die Muse des Mörders (German Edition)

Titel: Die Muse des Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wedler , Nadine d'Arachart
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hat irgendwann einfach aufgehört, mir zu schreiben.« Madeleine schüttelte den Kopf.
    »Wir waren arm. Sie hat sich geschämt. Wollte nicht, dass du etwas in den falschen Hals bekommst.«
    »Warum hast du denn nichts gesagt …?«
    »Wollte ich ja.« Olivers Mund verzog sich zu einem schmerzhaften Lächeln. »Ich hatte keine Gelegenheit dazu.«
    Madeleine verstand nun so viel mehr und doch verstand sie immer noch nichts. Am liebsten wollte sie Oliver in die Arme schließen und ihm versprechen, dass alles gut werden würde, doch das konnte sie nicht. 
    »Oliver.« Sie sah ihm fest in die Augen. »Hast du all diese Menschen getötet?«
    Er lachte auf, doch es war ein bitteres Lachen. Sein Blick hielt ihrem stand. 
    »Natürlich nicht. Was denkst du denn von mir?«
    »Warum sagst du der Polizei dann nicht einfach die ganze  Wahrheit?«
    Etwas in seinem Gesicht verdüsterte sich. Er kniff die Brauen zusammen und sah weg.
    »Marie …«, sagte er dann.
    »Was ist mit Marie?«
    »Ich liebe sie so sehr, dass …« Er brach ab. Eine einzelne Träne tropfte auf den Tisch. 
    »Sprich mit mir, Oliver. Was hat Marie damit zu tun?«
    »Nichts und alles.«
    Madeleine runzelte die Stirn. Sie wurde nicht schlau aus seinen Worten, so sehr sie ihren Verstand auch bemühte. Sie machte einen weiteren Versuch. 
    »Oliver. Weißt du, wer der wahre Mörder ist?« 
    Er nickte stumm.
    »Sag es der Polizei. Wir besorgen dir einen guten Anwalt und …« 
    »Ich kann keine Aussage machen.« 
    Madeleine dachte angestrengt nach. 
    »Sag es wenigstens mir. Sonst kann ich dir nicht helfen. Wir finden eine Lösung.« 
    Oliver atmete schwer ein und ebenso schwer wieder aus. Sein Blick wanderte zum Fenster hinter Madeleine und er sah verloren in die Ferne. Lange, unendlich lange suchte er nach den richtigen Worten.
     
     
     

72.
    Mein Vater war ein mittelmäßiger Uhrmacher. Nicht schlecht genug, um den Beruf an den Nagel zu hängen, und nicht gut genug, um meine Mutter und mich zu ernähren. Solange er lebte, war ich wütend auf ihn, und je mehr er scheiterte, desto besessener war ich von der Idee, es besser zu machen. Ich beschloss, Goldschmied zu werden. 
    Nach dem Tod meiner Eltern hielt mich nichts mehr in Genf und meine glücklichen Kindheitserinnerungen zogen mich nach Wien. Bei René Kardos bin ich eher zufällig gelandet. Ich fragte die Leute auf der Straße und in dem kleinen Hotel, in dem ich wohnte, nach dem besten Goldschmied der Stadt und nachdem sein Name dreimal in Folge gefallen war, glaubte ich, dass es mein Schicksal war, bei ihm anzufangen. Ich war vielleicht naiv, aber ich hatte nichts zu verlieren. Also nahm ich meine Arbeitsproben aus Strass und Plastik und stattete ihm unangemeldet einen Besuch ab. Er sagte sofort und ohne zu Zögern Nein, doch dann sah er meine Arbeiten und fragte ungefähr hundert Mal, ob ich sie selbst gemacht habe. Schließlich sagte er doch Ja. Vielleicht sah er in mir seinen Nachfolger, vielleicht auch nur einen halbwegs ebenbürtigen Gegner. Es war immer schwierig, herauszufinden, was er dachte, aber das war mir egal.
     Er bot mir einen Ausbildungsvertrag an und damit hatten sich alle meine Wünsche erfüllt. Dann traf ich seine Tochter. Heute glaube ich, dass er von Anfang an irgendwie bemerkt hat, dass da etwas lief. Dass er die ganze Zeit die Fäden in der Hand hielt. Trotzdem dachten wir während der ersten Monate, dass wir ein heimliches Paar waren. Ich war glücklich. Ich hatte das Mädchen meiner Träume getroffen und lernte meinen Traumberuf bei jemandem, der das Goldschmiedshandwerk beherrschte wie kein Zweiter. Aus altem Zahngold und einem winzigen Edelstein konnte er Juwelen machen, die so schön waren, dass den Menschen Tränen in die Augen traten, wenn sie seine Auslage betrachteten. 
    Ich mühte mich ab und arbeitete bis spät in die Nacht, um so gut zu werden wie er, aber das ging nicht. Er war besser. Er zahlte aber einen hohen Preis dafür und ich würde mir eher beide Hände abhacken lassen und mir die Augen ausstechen, als bloß für einen Tag mit ihm zu tauschen.
     Er war zwar ein Genie, aber eben nicht nur das. Zu fünfzig Prozent war er genial und zu fünfzig Prozent ein Wahnsinniger. Es dauerte nicht lange, bis ich bemerkte, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Es war sein ganzes Verhalten. Wenn er nicht schlief, aß oder mit Marie sprach, beschäftigte er sich immer nur mit seinem Schmuck. Er hatte kein Privatleben, keine Frauen, keine Bekannten, er las nicht und

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