Die Muse des Mörders (German Edition)
wurde für die letzten fünf Tage und Nächte seines Lebens Renés Verbündeter.
Ich weiß, dass es falsch war, aber ich konnte nicht zur Polizei gehen. Marie würde es nicht ertragen, wenn sie die Wahrheit über ihren Vater wüsste. Es würde ihr das Herz brechen. Sie würde nie mehr dieselbe sein. Ich arbeitete also wieder mit René zusammen, auch wenn ich es kaum aushielt, mit ihm in einem Raum zu sein. Er war unberechenbar. Manchmal war er ganz normal, nett, als wären wir alte Freunde, manchmal redete er nur wirres Zeug und hatte diesen fiebrigen Blick. Er war dann mit nichts zufrieden und klagte, dass nichts mehr so gut werden würde wie das Stück, welches er zuletzt verkauft hatte.
Ich begriff langsam, was ihn umtrieb. Wann immer er eines seiner Unikate verkaufen musste, brachte ihn die Vorstellung fast um, dass er es nicht mehr besitzen konnte. Dass sich jemand anderer damit schmückte. Ich versuchte, die Kunden davon abzuhalten, diese Stücke zu kaufen, aber er merkte das und ließ mich nicht mehr allein verkaufen. Das war der Zwiespalt, in dem er steckte. Er brauchte die Bewunderung und Bestätigung der Kunden, aber er konnte trotzdem nicht damit leben, seinen Schmuck herzugeben. Er war ein Monster, ein fleischgewordener Dämon. Ein Goldschmied, der die Menschen mit seiner perfekten Arbeit dazu verführte, bei ihm zu kaufen, und dann seine eigenen Kunden umbrachte. Ein paar Mal hörte ich mit, wie er ihnen ihre Geheimnisse entlockte. Für wen die Stücke waren, wie und wann sie vorhatten, sie zu verschenken. Er gab ihnen Tipps. Legen Sie eine rote Rose dazu, dann kommt der Stein besser zur Geltung.
Er war teuflisch und teuflisch gut in dem, was er tat. Ein perfektes Ungeheuer. Ich hasste es, mit ihm im Laden zu stehen. Noch mehr hasste ich es, mit ihm in der Werkstatt zu sein, wenn das Fieber von ihm Besitz ergriffen hatte. Er redete dann viel mit mir. Ich hatte das Gefühl, dass er irgendeine Art der Absolution von mir wollte.
Während er lötete, schmolz und polierte, erzählte er mir von seinem dunklen Seelenleben. An einem Nachmittag, als Marie spät Unterricht hatte, war es besonders schlimm. Er fertigte einen Ring an, mit einem leuchtend roten Rubin, den er selbst schliff. Immer wieder musste er sich abwenden. Er sagte, die Farbe des Steins tue ihm in den Augen weh. Er kam mir krank vor, wirklich am Ende. Es war der Tag, nachdem er die Hure ermordet hatte. Ich versuchte, mich auf das Ausbessern einer Kette zu konzentrieren, aber ich sah, wie er mit sich kämpfte, und obwohl ich ihn aus tiefstem Herzen hasste, tat er mir leid.
»Wenn dich das alles so unglücklich macht, warum tust du es dann?«, fragte ich.
Er lachte, aber sein Lachen klang leer, und er sprang auf und fegte mit einer Handbewegung alles vom Arbeitstisch. Der angeschliffene Rubin rollte durch die Werkstatt. René stützte das Gesicht auf die Hände und ich sah, wie sie zitterten.
»Du glaubst doch nicht, dass ich eine Wahl habe«, flüsterte er. »Das glaubst du doch nicht, Oliver.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Natürlich glaubte ich, dass er freiwillig tat, was er tat. Er spürte meine Antwort, bevor ich sie aussprach.
»Setz dich«, sagte er. »Ich will dir etwas erzählen.«
Ich tat, was er verlangte, denn es erschien mir nicht sonderlich klug, mich ihm zu widersetzen. Also zog ich den Hocker von meinem eigenen Arbeitsplatz heran und setzte mich ihm gegenüber.
»Als meine Mutter schwanger war«, sagte er, »arbeitete sie in einem Nachtclub. Oben ohne. Wie eine Nutte.«
Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte. Er beschrieb, wie seine Mutter ausgesehen hatte. Dass sie schön gewesen war und dass alle Gäste des Clubs sie hätten haben wollen. Irgendwann habe ihr ein alter Sack, ein alter, notgeiler, reicher Sack, wie er es nannte, ein Angebot gemacht. Sie habe sich mit ihm auf die schmutzige Damentoilette zurückgezogen und die Beine für ihn breit gemacht. Da war sie im zweiten oder dritten Monat schwanger gewesen und ihr Mann hatte ahnungslos zu Hause gesessen.
»Dieser alte Kerl strampelte sich also auf ihr ab, aber das interessierte sie gar nicht. Die ganze Zeit über starrte sie auf eine Kette um seinen Hals, mit einem goldenen Kreuz als Anhänger, das sich im Rhythmus seiner Stöße bewegte. In der Mitte des Kreuzes war ein riesiger Stein, dessen Namen sie nicht kannte, aber er war grün, also muss es ein Smaragd gewesen sein.«
René erzählte, dass seine Mutter wie
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