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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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zuzwinkerte , war e r ih m geradez u dankbar , wi e ei n mürrische r König , de r sich von den Possen seines Hofnarren aufmuntern läßt.
    Al s si e i n di e erst e Etag e stiegen , beschleunigte n sic h die Ding e beträchtlich . Anstat t ihne n di e Schlafzimme r hinte r den sech s geschlossene n Türe n i m Hauptflu r z u zeigen , gin g Flower mi t ihne n gleic h bi s zu m End e de s Gang s durc h un d öffnet e eine si e bte Tür, die in das führte, was er den «Ostflügel» nannte. Dies e Tü r wa r fas t unsichtbar , un d ers t al s Flowe r di e Han d auf di e Klink e legt e un d si e niederdrückte , bemerkt e Nash e sie überhaupt . Bezoge n mi t de r gleiche n Tapet e wi e de r ganze Korrido r (ei n hä ß liches , altmodische s Lilienmuste r in gedämpfte m Ros a un d Blau) , wa r di e Tü r s o geschick t getarnt, daß sie mit der Wand zu verschmelzen schien. Im Ostflügel, erklärt e Flower , verbrächte n Willi e un d e r di e meist e Zeit. Diese n Tei l de s Hause s hätte n si e kur z nac h ihre m Umzu g neu anbaue n lasse n (un d hie r ga b e r di e präzise n Koste n an , eine Zahl , di e Nash e sogleic h z u vergesse n suchte) . De r Kontrast zwische n de m dunklen , etwa s muffige n alte n Hau s un d diesem neuen Trakt war eindrucksvoll, ja erschreckend. Sie tra te n über die Schwelle und standen gleich darauf unter einem riesigen, facettierte n Glasdach . Vo n obe n strömt e das Spätnachmittagslicht herein und überflutete sie. Nashes Augen mußten sich erst daran gewöhnen, aber dann sah er, daß dies nur ei n Durchgan g wa r . Unmittelba r vo r ihne n befan d sic h eine zweit e Wand , ein e frischgestrichen e weiß e Wan d mi t zwei geschlossenen Türen darin.
    «Di e ein e Hälft e gehör t Willie» , sagt e Flower , «un d die ander e Hälft e gehör t mir.»
    «Sieht aus wie in einem Gewächshaus hier oben», sagte Pozzi . «Züchte n Si e etw a Pflanze n ode r s o was?»
    «Nich t ganz» , sagt e Flower . «Abe r wi r kultiviere n andere Dinge . Unser e Interessen , unser e Leidenschaften , di e Gärten unsere r Phantasie . E s is t mi r egal , wievie l Gel d eine r hat . Ohne Leidenschaf t is t da s Lebe n nich t lebenswert.»
    «Schön ausgedrückt», sagte Pozzi und nickte in geheucheltem Ernst . «Da s hätt ’ ic h selbs t nich t besse r formuliere n können, Bill.»
    «E s spiel t kein e Rolle , welche n Tei l wi r zuers t aufsuchen», sagt e Flower , «abe r ic h weiß , da ß Willi e besonder s erpicht darau f ist , Ihne n sein e Stad t z u zeigen . Vielleich t fange n wir als o mi t de r Tü r zu r Linke n an.»
    Ohne Stones Meinung dazu abzuwarten, öffnete Flower die Tü r un d bedeutet e Nash e un d Pozz i einzutreten . De r Rau m war vie l größer , al s Nash e si c h vorgestell t hatte , geradezu scheunenhaf t i n seine n Ausmaßen . Mi t de r hohe n durchsichtigen Deck e un d de m helle n Holzfußbode n wirkt e e r vollkommen offe n un d lichtdurchflutet , wi e ei n Raum , de r mitte n i n de r Luft schwebte . A n de r Wan d unmittelba r z u ihre r L inke n standen ein e Reih e vo n Bänke n un d Tischen , au f dene n Werkzeuge, Holzschnitze l un d ein e merkwürdig e Sammlun g von Eisengerümpe l herumlagen . De r einzig e ander e Gegenstan d in de m Rau m wa r ein e riesig e Plattfor m i n de r Mitte , au f de r ein offenbar maßstab g etreue s Miniaturmodel l eine r Stad t aufgebaut war . Mi t seine n schiefe n Türme n un d naturgetreue n Gebäuden, de n enge n Straße n un d winzige n Menschengestalte n bo t es eine n staunenswerte n Anblick , un d al s di e vie r sic h der Plattform näherten, begann Nashe, verb l üff t vo m schieren Erfindungsreichtum und der kunstvollen Ausführung des Ganzen , z u lächeln.
    «E s heiß t di e Stad t de r Welt» , sagt e Ston e bescheiden ; er brachte die Worte nur mühsam über die Lippen. «Es ist erst etw a hal b fertig , abe r ic h denke , e s vermittel t scho n eine Vorstellung davon, wie es einmal aussehen soll.»
    Währen d Ston e überlegte , wa s e r noc h sage n könnte , entstand ein e klein e Pause , un d di e nutzt e Flower , u m wieder vorzupreschen und weiterzureden; er führte sich auf wie einer diese r stolzen , herrs chsüchtigen Väter, die ihre Söhne ständig daz u drängen , de n Gäste n etwa s au f de m Klavie r vorzuspielen.
    «Sei t fün f Jahre n arbeite t Willi e jetz t daran» , sagt e er , «un d Sie müsse n zugeben , e s is t erstaunlich , ein e ungeheur e Leistung. Sehe n Si e nu r da s Rathau

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