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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Juliette bei ih m wohne n könnte , un d dan n würd e e r i n Bosto n ei n paar Fäde n ziehe n un d sic h eine n Jo b be i de r örtliche n Feuerwehr besorgen . Di e Feuerwehrwage n i n Northfiel d ware n blaßgrün, erinnert e e r sich ; ein e Vorstellung , di e ih n amüsierte , un d er fr agt e sich , wa s sons t noc h alle s i m Mittelweste n ander s sein mocht e un d wa s nicht.
    U m ei n Uh r wurd e ei n neue s Päckche n Karte n aufgemacht, und Nashe benutzte die Unterbrechung und verschwand mal ebe n in s Bad , wi e e r sagte . E r hatt e fes t vor , gleich wiederzu k ommen , abe r nachde m e r di e Spülun g betätig t hatte und in den dunklen Flur zurückgetreten war, bemerkte er erst, wie angenehm es war, sich ein wenig die Füße zu vertreten. Das stundenlang e Sitze n i n verkrampfte r Haltun g hatt e ih n ermüdet, un d d a e r nu n sch on einmal auf den Beinen war, entschloß er sic h z u eine m kleine n Spaziergan g durch s Haus , u m wiede r zu Kräfte n z u kommen . Trot z seine r Erschöpfun g wa r e r vo n Glück und Aufregung erfüllt und fühlte sich noch nicht bereit, wieder in s Zimme r zurückzugehen . I n den nächsten drei oder vier Minute n tastet e e r sic h durc h di e unbeleuchtete n Räume , die Flowe r ihne n vo r de m Esse n gezeig t hatte , stie ß wi e ei n Blinder an Türrahmen und Möbelstücke, bis er sich in der Eingangshalle befand . A m obere n End e de r Trepp e leucht e t e ein e Lampe , und al s e r de n Blic k i n ihr e Richtun g hob , fie l ih m plötzlic h Stones Werkstat t i m Ostflüge l ein . Nash e zögerte , ohn e Erlaubni s dort hinaufzugehen , abe r e r konnt e de m Drang , da s Model l noch einma l z u betrachten , einfac h nich t widerstehen . E r scho b seine Bedenke n beiseite , packt e da s Gelände r un d stieg , imme r zwei Stufe n au f einma l nehmend , nac h oben.
    Fas t ein e Stund e lan g besa h e r sic h di e Stad t de r Welt, untersucht e si e au f ein e Weise , di e ih m vorhi n nich t möglich gewese n wa r – ohne die Able n kung , di e da s Höflichtu n mi t sich gebrach t hatte ; ohn e de n Schwal l vo n Flower s Kommentare n in de n Ohren . Diesma l konnt e e r sic h i n di e Einzelheiten versenken, bewegte sich langsam von einem Gebiet des Modells zu m nächsten , studiert e di e minuziöse n architek tonischen Schnörkel , de n peinlic h genaue n Farbauftrag , di e lebendigen, manchma l erschreckende n Miene n de r winzigen , zollgroßen Figuren . E r sa h Dinge , di e ih m bei m erste n Besuc h vollständig entgange n waren , un d be i viele n diese r Entdeckunge n blitzt e ein ga l lige r Humo r auf : ei n Hund , de r vo r de m Gerichtsgebäud e an einen Hydranten pinkelte; eine Gruppe von zwanzig bebrillten Männern und Frauen, die eine Straße entlangmarschierten; ein maskierter Räuber, der in einer Seitengasse auf einer Bananenschal e ausruts c hte. Aber diese komischen Elemente ließe n di e andere n Szene n nu r u ms o bedrohliche r wirken , und nac h eine r Weil e konzentriert e Nash e sic h fas t nu r noc h au f das Gefängnis . I n eine r Eck e de s Hof s unterhielte n sic h die Häftling e i n kleine n Gruppen , spielte n B asketbal l un d lasen Bücher ; abe r dan n entdeckt e e r mi t eine m gewisse n Schaudern eine n Gefangenen , de r a n de r Wan d hinte r ihne n mit verbundene n Auge n vo r eine m Erschießungskommand o stand. Wa s hatt e da s z u bedeuten ? Welche s Verbreche n hatt e dieser Man n bega n gen , un d waru m wurd e e r s o furchtba r bestraft?
    Trot z alle r i n da s Model l eingegangene n Wärm e und Sentimentalität war die vorherrschende Atmosphäre eine des Schreckens , un d au f de n tageshelle n Boulevard s schlenderten finstere Träume dahin. Über allem schien ei n drohendes Verhängni s z u schwebe n – als läge diese Stadt im Kampf mit sic h selbs t un d böt e all e Kräft e auf , sic h z u bessern , bevo r die Propheten kämen und die Ankunft eines mörderischen Rachegotte s verkündeten.
    Gerad e al s e r da s Lich t ausschalte n un d d e n Rau m verlassen wollte , macht e Nash e noc h einma l kehr t un d gin g z u dem Modell zurück. Im vollen Bewußtsein dessen, was er jetzt tun würde, aber ohne Schuldgefühle, ohne jegliche Gewissensbisse, sucht e e r di e Szene , w o Flowe r un d Ston e vo r dem Süßwarenlad en standen (die Arme einander um die Schultern gelegt, mit konzentriert geneigten Köpfen das Lotterielos betrachtend) , sucht e mi t Daume n un d Mittelfinge r di e Stelle , wo ihr

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