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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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dere n Existen z e r ni e etwa s geahn t hatte : ein e glühende Unterwel t volle r lärmende r Bestie n un d d unkler , unvorstellbarer Triebe. Am dreizehnten Oktober, kurz nachdem er die Waffe abgeleg t hatte , ka m Murk s mi t eine m vierjährige n Junge n auf di e Wiese , de n e r al s seine n Enke l Floy d junio r vorstellte.
    «Floy d senio r ha t diese n Somme r i n Texa s seine n Job v erloren» , sagt e er , «un d jetz t sin d e r un d mein e Tochte r Sally hierhe r zurückgekommen , u m noc h ma l vo n vor n anzufangen. Si e sin d beid e unterweg s au f Arbeit s - un d Wohnungssuche , und da Addie sich bei dem Wetter heut morgen nicht ganz wohl fühlt , ha t si e gem e int , de r klein e Floy d könnt e doc h ma l mi t mir mitzuckeln . Ic h hoffe , d u has t nicht s dagegen . Ic h werd e ih n im Aug e behalte n un d aufpassen , da ß e r di r nich t i n di e Quere kommt.»
    Es war ein magerer Junge mit einem langen, schmalen Gesich t un d eine r triefend e n Nase ; i n eine n dicke n rote n Parka gehüll t stan d e r nebe n seine m Großvate r un d bedacht e Nashe mi t Blicken , di e ebens o neugieri g wi e gleichgülti g waren , s o als sei er plötzlich mit einem merkwürdigen Vogel oder Strauch konfrontiert . Nein , Nash e hatt e nicht s dagegen, aber selbst wenn , wi e hätt e e r e s wage n können , da s auszusprechen ? Die meist e Zei t a n diese m Vormitta g klettert e un d tollt e de r Junge zwischen den Steinhaufen am einen Ende der Wiese herum wie ei n seltsa m stumme s Äffchen , doc h imme r wen n Nash e w ieder i n dies e Eck e kam , u m de n Karre n vollzuladen , unterbrac h der Junge sein Treiben, blieb irgendwo da oben hocken und mustert e ih n mi t stet s gespannten , ausdruckslose n Blicken. Nash e fühlt e sic h imme r unbehaglicher , un d nachde m sic h das sechs - oder siebenmal wiederholt hatte, war er davon so entnervt, daß er sich zwang, zu dem Jungen aufzublicken und ihn anzulächeln – einfach, um irgendwie den Bann zu brechen. Unerwarte t lächelt e de r Jung e zurüc k un d winkt e ih m zu , und wie eine Erinnerung aus einem ande r e n Jahrhunder t ka m Nashe i n diese m Momen t di e Erkenntnis , da ß die s derselb e Jung e war, de r ih m un d Pozz i i n jene r Nach t vo m Rücksit z de s Kombis zugewink t hatte.
    Ob sie es dadurch herausbekommen hatten? fragte er sich. Hatt e de r Jung e seine n Elter n erzählt , daß er die beiden Männer ei n Loc h unte r de m Zau n hatt e grabe n sehen ? Hatt e de r Vater dan n Murk s aufgesuch t un d ih m vo n de r Beobachtun g des Junge n berichtet ? Nash e ka m ni e gan z dahinter , wi e es zugegange n sei n mochte , abe r kau m wa r ih m de r Gedanke gekomme n , blickte er noch einmal zu Murks’ Enkel auf und merkte , da ß e r ih n meh r haßt e al s jede n andere n Menschen , den e r j e i n seine m Lebe n gehaß t hatte . E r haßt e ih n s o sehr , da ß er ih n hätt e umbringe n können.
    Un d dami t fin g de r Horro r an . Ei n winzige s Samenkor n war ih m i n de n Kop f gepflanz t worden , un d bevo r e r überhaupt merkte , da ß e s d a war , keimt e e s bereit s i n ih m au f un d begann wie eine wilde mutierte Pflanze ins Kraut zu schießen, entwickelte ein ekstatisches Wachstum, das den ganzen Boden seines Bewußtse i ns zu überwuchern drohte. Er brauchte sich nur den Jungen zu schnappen, dachte er, und alles würde sich ändern: plötzlich würde er erfahren, was er unbedingt wissen mußte . De n Junge n fü r di e Wahrheit , würd e e r z u Murk s sagen, un d dan n würd e Calvi n rede n u n d ihm erzählen müssen, was er mi t Pozz i geta n hatte . E r hätt e kein e ander e Wahl . Wen n e r nicht redete , würd e sei n Enke l sterben . Dafü r würd e Nash e sorgen . Er würd e de n Junge n vo r seine n Auge n erwürgen.
    Kaum hatte Nashe diesen Gedanken zugelassen, schlossen sic h ander e an , jede r brutale r un d abscheuliche r al s sein Vorgänger . E r schlitzt e de m Junge n mi t eine r Rasierkling e die Kehl e durch . E r tra t ih n mi t seine n Stiefel n tot . E r nah m seinen Kop f un d schmettert e ih n a n eine n Stein , zertrümmert e ih m den kleine n Schädel , bi s da s Hir n al s Bre i hervorquoll . Gege n Ende de s Vormittag s befan d sic h Nash e i m Zustan d de r Raserei , in eine m mordgierige n Delirium . E r mocht e sic h diese r Bilder noc h s o verzweifel t erwehren , kau m ware n si e verschwunden, lechzt e e r auc h scho n w i eder danach. Das war das eigentlich Entsetzliche : nich t da

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