Die Musik des Zufalls
seines langsamen , würdige n Fortschreiten s m i t all den Pausen, Ritardand i un d Wiederholunge n mußt e e r meh r al s eine n Ton auf einmal anschlagen. Die Musik fing an und hörte auf, fing wieder an, hörte wieder auf, doch bei alldem schritt das Stück ständi g voran , drängt e eine r Auflösun g entgegen , di e ni e mals kam . Ware n da s di e geheimnisvolle n Barrikaden ? Nashe erinnert e sich , irgendw o gelese n z u haben , da ß nieman d genau wisse , wa s Couperi n mi t diese m Tite l gemein t habe . Einige Fachleut e interpretierte n ih n al s ein e komisch e Anspielun g auf Damenunterwäsch e – die Undurchdringlichkeit der Korsette –, währen d ander e dari n eine n Verwei s au f di e ungelösten Harmonien des Stückes erblickten. Nashe selbst tappte im dunkeln. Was ihn betraf, standen die Barrikaden für die Mauer, di e e r au f de r Wies e baute , abe r dami t wußt e e r natürlic h noch nicht , wa s si e wirklic h bedeuteten.
Die Stunden nach der Arbeit waren ihm jetzt keine unausgefüllte und bleierne Zeit mehr. Die Musik brachte Vergessen , da s angenehm e Gefühl , nich t meh r übe r sic h selbst nachdenke n z u müssen , un d w e nn er seine abendlichen Übungen beendet hatte, fühlte Nashe sich gewöhnlich so abgestumpft und emotionslos, daß er ohne große Schwierigkeiten einschlafen konnte . Abe r e r verachtet e sich , wei l e r e s zuließ , da ß seine Gefühl e fü r Murk s freundliche r wurden , w eil er mit solcher Dankbarkeit der Güte des Vorarbeiters gedachte. Murks hatte nich t nu r groß e Anstrengunge n unternommen , ih m das Keyboard zu besorgen, sondern sich geradezu auf diese Chance gestürzt, als hätte er im Leben nur den einen Wunsch, Nashes gut e Meinun g vo n ih m wiederherzustellen . Nash e wollt e Murks vo n Grun d au f hassen , ih n durc h di e schier e Kraf t diese s Hasses i n ei n Tie r verwandeln , abe r wi e wa r da s möglich , wen n der Mann sich einfach nicht wie ein Ungeheuer aufführen wollte? Murk s bracht e je t z t a b un d z u klein e Geschenk e i n den Wohnwage n mi t (Pasteten , di e sein e Fra u gebacke n hatte, Wollschals, Extradecken), und bei der Arbeit war er die Großmu t selbs t un d sagt e imme r wieder , Nash e soll e langsamer mache n un d sic h nich t s o anstrengen . Un d wa s d as unangenehmste war, er schien sich sogar um Pozzi zu sorgen; mehrmals in der Woche gab er Nashe Nachricht vom Befinden de s Jungen , wobe i e r redete , al s stünd e e r i n ständige m Kontakt mi t de m Krankenhaus . Wi e sollt e Nash e dies e Besorgnis verstehen ? E r hi e l t si e fü r eine n Trick , fü r ein e Nebelwand, hinte r de r di e wahr e Gefahr , di e Murk s fü r ih n darstellte, verborgen werden sollte – aber konnte er wirklich sicher sein? Ganz allmählich spürte er, wie er schwach wurde, der stillen Beharrlichkei t de s Vorarbeiter s nachgab . Jedesma l wen n e r ein Geschenk akzeptierte, jedesmal wenn er über eine Bemerkung Calvins lächelte oder eine Pause einlegte, um über das Wetter zu plaudern , hatt e e r da s Gefühl , eine n Verra t a n sic h selbs t zu begehen . Un d doc h ta t e r e s imme r wi e der. Schließlich hielt ihn
nu r noc h di e fortgesetzt e Präsen z de s Revolver s davo n a b zu kapitulieren . Di e Waff e macht e unmißverständlic h klar , wi e es zwische n ihne n stand , un d wen n e r sic h ihr e fundamentale Ungleichhei t in s Gedächtni s zurückrufe n wollte , braucht e e r nur eine n Blic k au f Murks ’ Hüft e z u werfen . Nu r u m z u sehen , was passiere n würde , wandt e e r sic h dan n eine s Tage s a n Murk s und sagte: «Was soll eigentlich der Revolver, Calvin? Rechnen Sie noc h imme r mi t Schwierigkeiten? » Worau f Murk s mit verwir r te r Mien e nac h seine m Halfte r sa h un d sagte : «Keine Ahnung . Ic h trag e ih n woh l nu r noc h au s Gewohnheit. » Un d als er am nächsten Morgen zur Arbeit auf die Wiese kam, war der Revolve r verschwunden.
Nash e wußt e nich t mehr , wa s e r denke n sollte . Wollt e Murks i h m dami t bedeuten , da ß e r jetz t fre i sei , ode r wa r auc h die s nur wieder ein Schachzug in einem ausgeklügelten Betrugsmanöver ? Eh e Nash e zu r Besinnun g komme n konnte, wurd e ga r noc h ei n weitere r Brocke n i n de n Mahlstro m seiner Ungewißhei t geworfen . Un d zwa r in Form eines kleinen Jungen, un d etlich e Tag e danac h hatt e Nash e da s Gefühl , a m Ran d eines Abgrund s z u stehen , in s Inner e eine r private n Höll e z u starren, vo n
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