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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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weg.»
    «Weg ? Wa s sol l da s heißen?»
    «Ebe n weg . A b dur c h di e Mitte . E r is t au s de m Bet t gestiegen, ha t sein e Sache n angezoge n un d da s Krankenhau s verlassen.»
    «Si e brauche n mi r kein e Märche n z u erzählen , Calvin . Jac k ist tot . E r is t vo r zwe i Woche n gestorben.»
    «Nein , Mann , e r is t nich t tot . Ein e Zeitlan g sah’ s ziemlich schlim m aus , da s wil l ic h zugeben , abe r dan n hatt e er’s geschafft . De r Knilc h is t zäher , al s wi r gedach t haben . Und mittlerweil e geh t e s ih m vie l besser . Jedenfall s s o gut , da ß er aufstehe n un d au s de m Krankenhau s gehe n kann . Ic h dachte , das würd e dic h interessieren.»
    «Mic h interessier t nu r di e Wahrheit . Sons t ga r nichts.»
    «Nun, das ist die Wahrheit. Jack Pozzi ist weg, und du brauchs t di r kein e Sorge n meh r u m ih n z u machen.»
    «Dan n lasse n Si e mic h selbs t i m Krankenhau s anrufen.»
    «Da s geh t nicht , m ein Sohn, das weißt du doch. Keine Telefonate, bis deine Schulden abgezahlt sind. Bei deinem Temp o wir d da s nich t meh r lang e dauern . Dan n kanns t du telefonieren , solang e d u willst . Vo n mi r au s bi s zu m Jüngsten Tag.»
    Drei Tage dauerte es, bis Nashe wieder a rbeiten konnte. An de n erste n zwe i Tage n schlie f e r un d rafft e sic h nu r auf , wenn Murk s i n de n Wohnwage n ka m un d ih m Aspirin , Te e und Dosensuppen brachte, und als er wieder hinreichend klarsehen konnt e un d begriff , da ß ih m dies e zwe i Tag e einfac h entgangen waren, erkannte er, daß der Schlaf nicht nur eine physische Notwendigkeit , sonder n auc h ein e moralisch e Pflich t gewesen war . Da s Dram a mi t de m kleine n Junge n hatt e ih n verändert, und ohne den anschließenden Winterschlaf, ohne diese achtundvierzi g Stunden , i n dene n e r zeitweili g vo n sich Abschie d genomme n hatte , wär e ih m vielleich t ni e aufgegangen, was aus ihm geworden war. Sein Schlaf war der Übergang von einem Leben in ein anderes gewesen, ein kleiner Tod, der die Dämone n i n seine m Inner n hatt e aufloder n lasse n un d si e dann wiede r i n di e Flamme n zurückgeschmolze n hatte , au s dene n sie gebore n waren . Nich t da ß si e jetz t verschwunde n waren , abe r sie hatte n kein e Gestal t mehr , i n ihre r formlose n Allgegenwart hatte n si e sic h i n seine m ganze n Körpe r ausgebreite t – unsichtbar , abe r gegenwärtig , ebens o ei n Tei l seine r selbs t wie sei n Blu t un d sein e Chromosomen , ei n feurige s Elixie r i n den Flüssigkeiten , di e ih n a m Lebe n erhielten . E r hiel t sic h nich t für besser oder schlechter als vorher, aber er verspürte keine An gst mehr . Da s wa r de r entscheidend e Unterschied . E r wa r i n das brennend e Hau s gestürz t un d hatt e sic h selbs t au s de n Flammen gerettet , un d nachde m e r e s einma l geta n hatte , konnt e die Vorstellung , e s noc h einma l z u tun , ih n nich t meh r schrecken.
    A m dritte n Morge n wacht e e r hungri g auf , stie g instinkti v aus de m Bet t un d gin g i n di e Küche ; e r wa r noc h reichlic h wacklig au f de n Beinen , wußt e aber , da ß Hunge r ei n gute s Zeiche n war und daß er sich auf dem Weg der Besserung befand. Dann kramt e e r i n eine r de r Sc h ublade n nac h eine m saubere n Löffel un d stie ß dabe i au f eine n Zette l mi t eine r Telefonnummer , und als er die kindliche, unvertraute Schönschrift genauer betrachtete, fiel ihm plötzlich das Mädchen ein. Irgendwann während der Party am sechzehnten hatte sie i h m ihr e Nummer aufgeschrieben , da s wußt e e r noch , abe r e r braucht e einige Minuten , u m sic h au f ihre n Name n z u besinnen . Ei n paarmal war er ganz nahe daran (Tammy, Kitty, Tippi, Kimberley), dann wa r dreißi g ode r vierzi g Sekunde n lan g alle s leer , un d al s er gerade aufgeben wollte, kam er drauf: Tiffany. Sie war der einzig e Mensch , de r ih m helfe n konnte , erkannt e er . Zwa r würde diese Hilfe ihn ein Vermögen kosten, aber was spielte das für ein e Rolle , wen n e r dami t endlic h Antwor t au f sein e Fragen erhielte ? Da s Mädche n hatt e Pozz i gemocht , j a si e schien geradez u verrück t nac h ih m gewese n z u sein , un d wen n sie erführe , wa s ih m nac h de r Part y zugestoße n war , müßt e sie eigentlich bereit sein, im Krankenhaus anzurufen. Mehr wäre nich t erforderlic h – nur ein einziger Anruf. Sie würde fragen, ob si e dor t einma l eine n Patiente n namen s Jac k Pozz i gehabt
    hätten , un

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