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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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ß e r sic h vorstelle n konnte , de n Jungen umzubringen, sondern daß er es sich unablässig von neuem vorstelle n wollte.
    Da s schlimmst e dabe i war , da ß de r Jung e imme r wiede r auf di e Wies e ka m – nich t nu r a m nächste n Tag , sonder n auc h am übernächsten. Die ersten Stunden waren schon schlimm genug gewesen , abe r dan n mußt e de r Jung e partou t auc h noc h einen Narre n a n ih m fressen : da ß si e einande r angelächel t hatten, schie n fü r ih n eine m Schwu r au f lebenslang e Freundschaft gleichzukommen. Noch vor der Mittagspause war Floyd junior vo n seine m Steinhaufe n heruntergekrabbel t un d trabt e nun seine m neue n Helde n hinterher , wen n diese r de n Karre n über die Wiese zog. Murks wollte ihn davon abhalten, aber Nashe, de r auc h scho n davo n träumte , wi e e r da s Kin d umbringen würde, winkte ihn fort und sagte, es sei schon gut. «Das stört mic h nicht» , sagt e er . «Ic h hab e Kinde r gern. » Inzwische n hatte Nash e wahrgenommen , da ß etwa s mi t de m Junge n nicht stimmt e – e r wirkt e irgendwi e stumpf und einfältig, beinahe schwachsinnig . E r konnt e kau m sprechen , un d währen d e r hinter Nash e durch s Gra s lief , sagt e e r nu r imme r wiede r Jim ! Jim! Jim! , wi e ein e Ar t debil e Zauberformel . Bi s au f sei n Alter schie n e r mi t Juliett e nicht s gemeinsa m z u h a ben , un d al s Nashe di e traurig e Bläss e de s kleine n Junge n mi t de m sprühenden Frohsin n seine r lockenköpfige n Tochter , seine r geliebte n wilden Rang e mi t de m kristallhelle n Lache n un d de n mollige n Knien verglich , empfan d e r nicht s al s Verachtun g fü r ihn . Mi t jeder weitere n Stund e wurd e de r Drang , übe r ih n herzufallen , heftiger un d unbezähmbarer , un d al s e s endlic h sech s Uh r geworde n war, kam es Nashe fast wie ein Wunder vor, daß der Junge noch lebte . E r bracht e sei n Werkzeu g i n de n Schuppen , un d al s er gerad e di e Tü r schließe n wollte , tra t Murk s nebe n ih n und klopft e ih m au f di e Schulter : «Da s mu ß ma n di r lassen , Nashe», sagt e er . «D u has t ei n geschickte s Händchen . S o wi e mi t dir heut e ha t de r klein e Ker l sic h noc h ni e mi t jemandem angefreundet . Wen n ic h e s ni cht mit eigenen Augen gesehen hätte , würd e ic h e s nich t glauben.»
    A m nächste n Morge n ka m de r Jung e i n seine r Hallowee n - Maskerade auf die Wiese: ein schwarzweißes Skelett - Kostüm mi t eine r Maske , di e wi e ei n Schäde l aussah . E s wa r ein s dieser geschmacklose n b illige n Dinger , di e ma n be i Woolwort h in eine r Schachte l kauft , un d d a e s a n diese m Ta g kal t war , tru g er es über seinem Parka, was ihn seltsam aufgebläht erscheinen ließ, als hätte er über Nacht sein Gewicht verdoppelt. Murks erklärte , de r Jung e hab e die s es Kostüm unbedingt anziehen wollen , dami t Nash e ih n dari n bewunder n könne , un d i n seiner Umnachtung begann Nashe sich gleich zu fragen, ob der Junge ihm damit nicht irgend e twas sagen wollte. Schließlich stand diese s Kostü m fü r de n Tod , de n To d i n seine r reinste n und symbolischsten Form, und demnach ahnte der Junge womöglich, wa s Nash e vorhatte , wa r al s To d verkleide t au f di e Wiese gekommen, weil er wußte, daß er sterben würde. Nashe konnte dari n nu r ein e verschlüsselt e Botschaf t sehen . De r Jung e sagte ihm : E s is t gu t so , e s is t alle s gut , solang e nu r Nash e e s ist , der mic h tötet.
    De n ganze n Ta g kämpft e e r gege n sic h a n un d erfan d alle mögliche n Tricks , de n Skelettjunge n i n sichere r Entfernun g von seine n Mörderhände n z u halten . A m Morge n tru g e r ih m auf, e i ne n bestimmte n Stei n a n de r Rückseit e eine s de r Haufe n zu bewachen , dami t diese r nich t plötzlic h verschwinde , un d am Nachmitta g lie ß e r ih n mi t de m Karre n spielen , währen d er selbs t sic h a m andere n End e de r Wies e mi t Maurerarbeiten beschäftigte . Doc h unve r meidlic h lie ß di e Aufmerksamkei t des Jungen gelegentlich nach, und dann kam er zu Nashe gelaufen; un d i n de n Zwischenzeite n hatt e Nash e di e au s de r Fern e z u ihm herwehend e Litane i seine s Namen s z u ertragen , da s endlos e Jim, Jim, Jim, da s ih m wi e ei n Alarm r u f au s de n Tiefe n seine r Angst i n di e Ohre n schallte . Imme r wiede r wollt e e r Murk s bitten , den Junge n nich t meh r mitzubringen , abe r di e Anstrengung , seine Gefühl e unte r Kontroll e z u

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