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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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gelungen, ihn
eines besseren zu belehren und mit dem Bus in die Berge zu fahren,
aber vor Candy… unmöglich. Er drückt sie noch fester
an sich und versucht das Gefühl zu verdrängen, daß er
ihre Anwesenheit sehr tröstlich findet.
    Erneut taucht Porter in die Gefühlswelt der beiden ein.
Verdammt, in Bill tobt ein Sturm der Gefühle, insbesondere eine
nur notdürftig kaschierte Todesangst und das Bedürfnis,
sich in den Schoß seiner Frau zu kuscheln, was eine gewisse
ödipale Komponente aufweist, aber er fixiert sich auf die Frage,
weshalb sie überhaupt noch hier sind; den Gedanken an Passionet muß er verdrängen – die XV-Nutzer
werden nämlich nur ungern damit konfrontiert, daß die
Stars verkabelt sind und daß dieser Jemand, der sie verkabelt
hat, zwischen ihnen und dem Star steht.
    Jetzt zu Candy. Oh, das ist aber schön. Sie dreht fast durch
vor Angst und hält Bill allmählich für einen
kompletten Narren, aber zugleich regrediert sie zu einem kleinen
Mädchen und sieht in ihm eine Vaterfigur.
    Mit ihren Augen betrachtet er die großen Wellen – bei
weitem keine Sturmflut, denn sie befinden sich auf der
›Clem‹ abgewandten Seite der Insel, aber die
Strömungseffekte reichen bereits aus, auch hier eine
Rekordbrandung zu verursachen –, die mit Schaumkronen
überzogen vom dunklen Ozean an den erleuchteten Strand donnern.
Ihr stockt der Atem, als eine Welle besonders weit landeinwärts
schwappt und die Kalakaua Avenue mit einer Schaumschicht
überzieht, und sie hat das Gefühl, daß der Boden
unter dem dicken Teppich erbebt.
    Sie schmiegt sich enger an Bill und versucht positiv zu denken;
das ist schon immer ihre Begabung gewesen. Dies ist ein großes
Abenteuer, und vielleicht steht im Vertrag oder sonstwo geschrieben,
daß sie eine Zulage bekommen, wenn sie das hier durchstehen.
Diese Geschichte können sie dann später immer wieder ihren
Kindern erzählen. Am nächsten Morgen wird alles vorbei
sein, und wenn sie dann spät aufstehen, ist das Hotelpersonal
wieder an der Arbeit und serviert ihnen ein schönes,
reichhaltiges Frühstück – für Bill
natürlich.
    Porter kichert. Bill ist wahrlich ein strammer Esser und hat die
Proportionen eines Kleiderschranks, aber Candy nimmt ihm auch nicht
viel; sie hat ein Bäuchlein, ihre Brüste sind nur deswegen
hoch und straff, weil sie noch jung ist, aber in fünf Jahren
wird sie sich wie ihre Mutter und Schwestern in eine ungepflegte
Matrone verwandelt haben. Das Kichern tut ihm gut und leitet einen
Teil der Angst ab, die von Candy ausgeht. Ein Problem bei seiner
Tätigkeit als XV-Redakteur besteht darin, daß man sich mit
der betreffenden Person identifiziert, besonders, wenn man Signale
von einem untrainierten Hirn empfängt. Und das gefällt
Porter überhaupt nicht.
    Er wechselt wieder zu Bill, wobei er entdeckt, daß der arme,
dumme Hund sein letztes bißchen Mut zusammengekratzt hat und es
schafft, das Zittern in den Armen und in der Stimme zu
unterdrücken, als er Candy ins Ohr flüstert, daß es
schon gutgehen würde und die Verwandten nicht in den Genuß
einer Schauergeschichte kämen.
    Das scheint auch ihr wieder Mut zu machen, denn sie blickt ihn
lächelnd an. »Wir brauchen es ihnen auch gar nicht zu
erzählen, Schatz, denn sie haben es ja durch uns schon
erlebt.«
    Bill schnaubt. »Da hast du wohl recht. Nun, zumindest bieten
wir ihnen eine wirklich gute Vorstellung.«
    Sie schmiegt sich wieder an ihn, und er tätschelt ihr den
Rücken; die Spaghetti-Träger ihres Negliges straffen und
ihre Brüste heben sich. Mein Gott, besser könnte es gar
nicht kommen… diese Kinder haben so wenig Phantasie, daß
sie mit etwas Glück wirklich noch…
»Außerdem«, meint sie, »sagt einem schon der
gesunde Menschenverstand, daß wir hier sicher sind, Schatz. Sie
werden doch nicht alles verlieren wollen, was sie in uns investiert
haben.«
    Naseweise Schlampe, denkt Porter. Er wird die Aufnahme mit
Monsterwellen anreichern und vielleicht noch einen Schauspieler
engagieren müssen, der die Szenen zusätzlich mit Angst
untermalt, und selbst das wird noch nicht ausreichen.
    Bill grinst. »Obendrein hast du auch noch Mut, Liebes. Ich
bin wirklich froh, daß wir geheiratet und diese Gelegenheit
bekommen haben. Selbst wenn es bedeutet…« Er grinst
schelmisch, seine Angst verfliegt, und bei einem Blick in Bills
Gedanken lacht Porter erleichtert. Ja! Wir kriegen den maximalen
Effekt – wie in Bis in alle Ewigkeit. Zu schade,
daß ich ihn nicht dazu bewegen kann,

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