Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
Ruinen walzt, existiert fast nichts mehr, was sie noch
hätte niederreißen können.
    Bei dieser Flutwelle handelte es sich indessen nur um einen
›Ausläufer‹, denn ›Clem‹ ist bereits auf
Süd-West-Kurs, und die Welle, die Midway erwischt hatte, befand
sich quasi in seinem Kielwasser. Die Basis verschwindet vom Antlitz
von Sand Island, und die letzten aus dem 2. Weltkrieg stammenden
Ruinen auf East Island werden ebenfalls weggespült; als nach
einigen Tagen die Sonne wieder hervorkommt, bescheint sie wohl noch
die kleineren Inseln, aber die Sandinseln sind verschwunden. Die
einzigen Anzeichen der Zivilisation, welche die Inseln noch
aufweisen, sind die Landebahnen und die Fundamente des alten Pan
Am-Hotels auf Midway. Dafür interessiert sich jedoch niemand
mehr.
    Der Wirbelsturm bewegt sich in etwa parallel zur hawaiianischen
Inselkette, aber eben nicht völlig parallel, und alle Geraden,
die keine Parallelen sind, schneiden sich irgendwann einmal; die
Frage lautet in diesem Fall nur, wo die beiden Geraden sich schneiden
und ob ›Clem‹ den aktuellen Kurs beibehält. Di Callare
bleibt an seinem Arbeitsplatz; Lori schickt ihm ein Lunchpaket und
ein paar frische Sachen, und er duscht, wechselt die Kleidung, nimmt
sich dankbar des Essens an und sitzt schon wieder am Schreibtisch,
bevor er überhaupt registriert, daß er soeben eine Pause
eingelegt hat. Dabei kommt ihm streiflichtartig der Gedanke,
daß Lori dort draußen ist und daß sie ihn
liebt.
    Die Dunkelheit schiebt sich über den Atlantik nach Amerika,
erreicht Brasilien, greift über ganz Südamerika aus, legt
sich über die Karibik und Nordamerika, und ›Clem‹, der
am sonnigen Spätnachmittag noch immer über den Pazifik
wandert, beschleunigt und schwenkt auf die Inseln ein. Nun besteht
keine Hoffnung mehr, größeren Schaden abzuwenden –
wenn man die Distanz berücksichtigt, innerhalb der die
Sturmstärke auf Beaufort-12 fällt, hat der Wirbelsturm
›Clem‹ einen Durchmesser von knapp 3000 Kilometern –
eine Fläche viermal so groß wie Alaska.
    Aber diese Fläche ist fast ein einziger Wirbelsturm, was
bedeutet, daß ›Clem‹ von Stürmen flankiert wird,
die etwa die Wucht von normalen Taifunen oder Hurrikanen haben. Es
handelt sich nur um einen relativ kleinen Sektor um das Auge, der die
gigantischen Flutwellen erzeugt, und obwohl bisher noch kein
Instrument so lange funktioniert hat, um Daten zu liefern,
läßt sich von der Wellenhöhe ableiten, daß der
Wind an der Peripherie des Auges die Geschwindigkeit eines Tornados
haben muß – in etwa halbe Schallgeschwindigkeit. Hawaii
wird von einem Wirbelsturm erfaßt werden, und weil
›Clem‹ so groß ist, daß es trotz seiner
außergewöhnlichen Geschwindigkeit lange dauern wird, bis
er weitergezogen ist, wird Hawaii der Wirkung dieses Sturmes
länger als üblich ausgesetzt sein – wenn sie
Glück haben, ist es vielleicht wirklich nur ein
Wirbelsturm.
    Ohnehin hat Hawaii insofern schon Glück gehabt, da die in
›Clems‹ Auge erzeugten tsunamigroßen Wellen
überwiegend parallel zur Inselkette verlaufen; ihre
Ausläufer haben zwar schon die felsigen Küsten im
Nordwesten der Inseln erreicht, aber obwohl die Wellen
außerordentlich hoch waren, haben sie an der in diesem Sektor
massiven und steilen Küste von Hawaii nur wenig Schaden
angerichtet – hie und da wurden eine Küstenstraße und
ein Strandabschnitt unterspült oder ein Leuchtturm
zerstört, aber die Schäden erreichten bei weitem nicht das
Ausmaß, als wenn die Wellen im Neunzig-Grad-Winkel gekommen
wären.
    Das eigentliche Problem ist der Regen. ›Clem‹
überschüttet die gesamte Inselkette mit Regen, und Hawaii
ist gebirgig; die kahlen Gipfel der meisten Inseln leiten den Regen
in Hunderten und Tausenden wie aus dem Nichts entstandener,
reißender Flüsse ab und blockieren somit Straßen,
über welche die Evakuierung der Nord- und Ostseite der Inseln
abgewickelt werden müßte.
    Hardshaw fragt sich, ob seit Roosevelt oder Truman auch nur ein
Präsident Kenntnis von der Existenz von Hawaii 11 besessen hat;
gestern noch wußte sie nicht einmal, daß Hawaii über
Autobahnen verfügt, aber besagte Straße ist zwischen Hilo
und Pahala an vier Stellen von Sturzfluten und Erdrutschen
unterbrochen worden, und was noch schlimmer ist, viele
Straßenmeistereien sind ebenfalls zerstört, so daß
nicht nur die Evakuierung von Hilo nach South Kona unterbrochen ist
(Pioniertruppen sind ausgerückt und versuchen,
Behelfsbrücken im

Weitere Kostenlose Bücher