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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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aber ich könnte ein paar nette
Arbeiten zur vergleichenden Philologie, historische Abhandlungen oder
einige Literaturkritiken anfertigen.«
    Sie lacht dann doch, aber es ist ein gutmütiges Lachen.
»Interessant. Da gäbe es auch noch ein paar Arbeiten zur
Musikgeschichte, die ich ganz interessant finde. Louie, was geschieht
mit uns? Verwandeln wir uns etwa in Maschinen?«
    »Ich würde eher sagen, die Maschinen verwandeln sich in
uns.«
    Sie setzen das Gespräch noch lange fort, wobei sie sich
über Gott und die Welt unterhalten, und anstatt die Verbindung
dann ganz zu unterbrechen, halten sie sich im Hintergrund einen Kanal
offen; vergleichbar mit der quasi-telepathischen Übereinstimmung
zwischen alten Ehepaaren, bei denen der eine immer weiß, was
der andere denkt. Die beiden Einsiedler sind jetzt nicht mehr einsam
und werden es auch nicht mehr sein, bis Louie seine lange Reise
antritt.
     
    Am 6. Juli zieht ›Clem Zwei‹ oder ›Clementine‹
fast den ganzen Tag nach Osten, wobei er gelegentlich einen Schlenker
nach Süden vollführt. Di erklärt das in
Übereinstimmung mit Carla damit, daß die Fallströme
der beiden ›Mutter-und-Kind‹-Wirbelstürme einander
entgegengerichtet sind und daher eine Hochdruckzelle erzeugen, die
sie auf Gegenkurs bringt. Präsidentin Hardshaw konferiert mit
einem Dutzend Präsidenten, Diktatoren und Staatschefs über
den möglichen Pfad des Sturms.
    Berlina Jameson bringt eine Sondersendung von Sniffings über den nahenden ›Clem Zwei‹. Die Mehrheit der
befragten Amerikaner ist der Ansicht, daß ›Clem Zwei‹
in seiner Eigenschaft als ›Tochter‹-Hurrikan irgendwie mit
›Clem‹ zusammenhängt und daher kleiner als dieser sein
müsse. Sie versucht den Leuten klarzumachen, daß, nachdem
der Fallstrom von ›Clem‹ das Auge von ›Clem Zwei‹
erst einmal erschaffen hatte, keine weitere Verbindung mehr zwischen
ihnen besteht und daß es keine Möglichkeit gibt,
›Clem Zwei‹ aufzuhalten oder sein Wachstum zu begrenzen. An
dieser Sendung arbeitet Berlina länger als an allen bisherigen
Beiträgen von Sniffings, wobei ihre Arbeit noch von allen
möglichen Stellen kopiert wird, insbesondere von Scuttlebytes, aber darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.
Die Leute glauben das, was sie glauben wollen, und wenn viele
Teilnehmer sich in XV einklinken, verstärkt diese Tendenz sich
noch; warum sollte man sich auch von unangenehmen Fakten um den
Genuß bringen lassen?
    Ein letztes Mal meldet sie sich noch bei Di Callare, aber der ist
zu beschäftigt, um sich mit ihr zu unterhalten; wenn sie dem
knappen Gespräch etwas entnimmt, dann das, daß alles den
Bach hinuntergeht. Der Mann hört sich so an, als hätte er
schon seit Tagen nicht mehr geschlafen. Sie sagt ihm, daß sie
nach Mexiko fahren und dann so weit wie möglich nach Süden
vorstoßen würde, um zu beobachten, welche Schäden
›Clem Zwei‹ an der Küste verursacht. Er rät ihr,
Küstenstraßen zu meiden und bei den Abschnitten ohne
automatische Fahrzeugkontrolle besonders vorsichtig zu sein.
    Gerade als sie das Gebäude verlassen will, überreicht
ihr der Portier einen Brief aus dem Weißen Haus, in dem man ihr
für ihre ›Rolle bei der Warnung der
Öffentlichkeit‹ dankt und ihr eine Urkunde der
Präsidentin für ›Hervorragenden Journalismus und
vorbildliches staatsbürgerliches Verhalten‹ verleiht. Sie
findet es zwar etwas befremdlich, daß der Stab der
Präsidentin nichts Besseres zu tun hat, aber dennoch heftet sie
das Zertifikat an den Himmel ihres Fahrzeugs.
    * * *
    Am 7. Juli zieht ›Clem Zwei‹, unter Mißachtung der
Höhenwinde und der Erdrotation, noch immer zielstrebig nach
Osten, wobei er nun einem leichten Drall nach Norden unterliegt. In
Mexiko wird Sturmwarnung für die Baja California Sur und das
Festland von Los Mochis bis hinunter nach Acapulco gegeben. Di
weiß, daß Jesse so weit im Süden außer Gefahr
ist, zudem Tapachula im Bergland liegt. Falls er nicht nach Punto
Madero fährt oder gar versuchen sollte, in die Staaten
zurückzukehren, dürfte ihm eigentlich nichts geschehen. Di
teilt ihm das in einem kurzen Anruf mit, wobei er indes erfährt,
daß Jesse vor Ort bleiben will, zusammen mit seiner aktuellen
Freundin, und sich nur wegen einer Ex-Freundin Gedanken macht –
ist es gar jene, die Lori als politische Tussi bezeichnet hatte?
    Er kommt da nicht mehr so richtig mit, überlegt Di grinsend,
nachdem er aufgelegt hat. Aber nach Jesses Ausführungen befindet
besagtes Mädchen sich

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