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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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weiter im Norden und hat oft an der
Küste zu tun – weil die mexikanische Armee jedoch alle
Küstenstädte evakuiert, »braucht man sich wohl kaum
Sorgen zu machen – im schlimmsten Fall muß sie ein paar
Tage in einem Flüchtlingslager bleiben, bis jemand aus den
Staaten ihr telegrafisch Geld schickt«, beruhigt Di seinen
Bruder.
    Jesse nickt. »Ach, ich mache mir auch gar keine großen
Sorgen. Morgen wollte sie nach Tehuantepec. Die Stadt ist bisher noch
nicht evakuiert worden; sie befindet sich nämlich nicht direkt an der Küste, sondern wie Tapachula im Bergland
– also nehme ich an, daß sie in Sicherheit ist. Ich mache
mir eben nur Gedanken um eine Freundin.«
    »Das verstehe ich«, sagt Di. »Aber trotzdem –
bleibe, wo du bist – es sei denn, der Sturm hält auf
Tapachula zu. Wenn es sich wirklich abzeichnen sollte, daß er
über den Golf von Tehuantepec hereinkommt, bleiben nicht mal
mehr vierundzwanzig Stunden für die Evakuierung. Sieh in diesem
Fall zu, daß du sofort abhaust, und spiele nicht den
Helden.«
    »Ich sehe auch die Nachrichten, großer Bruder«,
sagt Jesse. »Ich weiß, was auf Oahu los war. Wenn ich von
hier verschwinden muß, erreichst du mich in San
Cristóbal de las Casas in der Calle del Veinticinco Febrero.
Die Armee hat bereits jedem einen Platz zugewiesen.
    Und die Endstation des Zipline, mit dem wir fahren, ist nur
dreißig Kilometer entfernt – sie haben die Strecke im
letzten Frühjahr nicht ganz fertiggestellt, aber die paar
Kilometer dürften kein Problem sein.«
    Sonst gibt es nicht mehr viel zu sagen; die NOAA wird die
Regierung solange mit Daten versorgen, bis ›Clem Zwei‹ die
Küste erreicht; aber wenn er laut Carla die Halbinsel nach
Norden hinaufzieht und weiterhin den generellen West-Ost-Kurs
beibehält, wonach es auch aussieht, müßte ›Clem
Zwei‹ sich eigentlich am Hauptmassiv der Kordilleren brechen und
sich in einem normalen Tiefdruckgebiet auflösen. Sie hat die
NOAA indessen schon darauf hingewiesen, daß die Landenge die
kritische Stelle ist; sollte ›Clem Zwei‹ über dem Golf
von Tehuantepec auf Land treffen und dann nach Norden abdrehen,
dürfte das Gebirge an dieser Stelle wohl zu niedrig sein, um
›Clem Zwei‹ daran zu hindern, in die Karibik
hineinzuplatzen – wodurch der Hurrikan eine immense
Energiezufuhr erfahren würde.
    Mit etwas Glück wird es noch Wochen dauern, bis eines dieser
Monster sich im Atlantik austobt… aber bisher haben sie nicht
viel Glück gehabt.
     
    Am 8. Juli macht ›Clem Zwei‹ eine Vollbremsung und
verharrt fast vier Stunden am Fleck, ungefähr 300 km westlich
von der Spitze der Baja. Gewaltige Stürme werden den Golf von
Kalifornien hinaufgepumpt, und die Behörden im Tal des
Unterlaufs des Colorado und im Imperial Valley erlassen dringende
Evakuierungsanordnungen. Es kommt zu Unruhen, als mit Mexikanern
besetzte Busse – die eigentlich nur auf dem nächsten
Highway in das höher gelegene Nogales in Sonora verlegt werden
– bei Mexicali die Grenze passieren. In der weißen und
schwarzen Bevölkerung hatte sich nämlich das Gerücht
verbreitet, wonach die Busladungen mit Flüchtlingen
amerikanische Pässe und ein ständiges Bleiberecht erhalten
sollten.
    Dieser Verdruß legt sich alsbald wieder, denn Rock tritt via Passionet auf den Plan und führt Millionen Menschen die
Absurdität ihrer Befürchtungen vor Augen; die
Mißbilligung strömt ihm schier aus jeder Pore. Er wird von
Surface O’Malley flankiert, die sich zügig seinem
Standpunkt anschließt (laut Drehbuch ist sie gehalten, ihn auf
diesem Trip als soignierten Mann von Welt anzuhimmeln). Die
Randalierer, die sich zu Hause oder mit tragbaren Geräten in XV
eingelinkt haben, sind ganz verdutzt wegen der Gefühle des Zorns
und des Abscheus, die ihnen zuteil werden. Die Zuhausegebliebenen
schließen sich den Unruhen nicht wieder an, und diejenigen, die
an die Portables angeschlossen waren, verabschieden sich
unauffällig.
    Verdeckte Ermittler des FBI, die in Passionet eingeschleust
wurden, registrieren diese Vorgänge und machen höherenorts
Meldung; XV ist anscheinend imstande, die Bevölkerung sowohl
aufzuwiegeln als auch zu beruhigen. Millionen Menschen scheinen
über das Ausbleiben des zweiten Globalen Aufstands
enttäuscht und wenden sich von Passionet ab, um sich in
andere Systeme einzuklinken; ein Empfehlungsschreiben von
Präsidentin Hardshaw und eine kurze persönliche Ansprache,
um die Zuschauer zurückzuholen, kommt gerade noch rechtzeitig,
um

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