Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
weitere Rückrufe erhält, sondern unter
Berücksichtigung der ursprünglichen Ziele den Plan nach
eigenem Ermessen modifiziert - Ihre Terminologie gefällt mir
noch besser als meine – und daß er die entsprechende Order
von uns beiden empfängt und sie auch einzeln
bestätigt?«
    »Einverstanden«, erklärt sie. »Es ist kein
rechtsverbindliches Dokument, so daß es auf präzise
Klauseln nicht ankommt. Nun zum strittigen Punkt: Was würden Sie
sagen, wenn wir uns selbst stellen? Wir werden verkünden,
daß die Übernahme des japanischen und französischen
Sektors der Mondbasis ein Akt vorsätzlicher Aggression war und
bieten Schadenersatz an, und gleichzeitig konzedieren wir, daß
unser Vorgehen einen casus belli darstellt.«
    Rivera grinst. »Dann würde ich sagen –
schließlich sind wir beide erfahrene Anwälte, Frau
Präsidentin –, daß wir uns vor Gericht sehen. Der
Generalsekretär hat nämlich für die Dauer des
Notstands alle Weltraumeinrichtungen beschlagnahmt – und im
Gegensatz zu Ihrer nationalen Verfassung bin ich aufgrund des Zweiten
Bundes der UN ermächtigt, den Notstand rückwirkend
auszurufen und Eigentum entschädigungslos zu beschlagnahmen
–, so daß der unter meinem Befehl stehende Oberst Tynan
absolut legal gehandelt hat. Werden Sie das Urteil des Weltgerichts
denn anerkennen?«
    »Ja, zum Teufel. Vielleicht werde ich mich sogar selbst
vertreten.«
    Mit geweiteten Augen sagt Rivera: »Frau Präsidentin, ich
bitte Sie – tun Sie das nicht.«
    Es geschieht nicht oft, daß Brittany Lynn Hardshaw verwirrt
oder konsterniert dreinblickt. »Und weshalb nicht? Wenn Ihre
Entscheidung steht, bin ich ohnehin nur die Gouverneurin einer
UN-Provinz; und dann könnte ich meine Zeit auch sinnvoller
nutzen.«
    Rivera schüttelt den Kopf, wobei Diem ein Funkeln in seinen
Augen erkennt. »Das Problem, Frau Präsidentin, besteht
darin, daß, wenn Sie die Vertretung der Vereinigten Staaten
übernehmen, ich nicht der Versuchung widerstehen werde,
angesichts der Bedeutung des Falls vor Gericht selbst gegen Sie
anzutreten – und es wäre gegenüber der Welt nicht zu
verantworten, wenn wir beide unsere Kräfte dabei binden.«
Sein Grinsen wird breiter. »Außerdem ist die Ironie
einfach köstlich. Wenn Sie der illegalen Aneignung japanischen
und französischen Eigentums für schuldig befunden
würden, dann hätten Sie nämlich die
Souveränität Ihres Landes bewahrt. Also werden Sie sich vor
Gericht als Piratin zu präsentieren versuchen, und die UN werden
versuchen, Ihre Unschuld zu beweisen.«
    Sie nickt. »Wir sehen uns dann vor Gericht. Und ich bin
schuldig wie die Hölle.«
    »Frau Präsidentin – das sind Sie nicht. Darf ich
also davon ausgehen, daß wir soweit fertig sind und wie
besprochen verfahren werden?«
    »Richtig. Grüße an Ihre Familie…«
    »Und ich habe mich über die Gelegenheit gefreut, mit
Ihnen zu sprechen«, erwidert er. Erneut haben sie sich auf die
formale Ebene begeben, aber trotzdem wird Diem das Gefühl nicht
los, daß sich Sympathie dahinter verbirgt. Das Büro des
Generalsekretärs schaltet ab. Das blauweiße UN-Logo
flackert kurz und verschwindet dann vom Bildschirm.
    Sie dreht sich zu ihm um und sagt: »Natürlich habe ich
es über einen abhörsicheren Kanal überprüft;
Tynan ist wirklich startbereit. Hätte auch ziemlich blöd
ausgesehen, wenn er noch drei Wochen im Erdorbit hätte
herumhängen müssen, während eine Prozeßlawine
ins Rollen gekommen wäre. Ich glaube, wir können das Signal
wohl senden – starten Sie die Aktion, Harris. Dieses Band ist
für Tynan.«
    Diem nimmt es entgegen und betrachtet die Cassette; er sagt sich,
daß dieser Gegenstand eines Tages vielleicht im Smithsonian
Institute ausgestellt wird, falls es diese Einrichtung dann
überhaupt noch gibt. »Ach, Harris, noch etwas«, sagt
sie.
    Diem schaut auf.
    »Es wäre möglich, daß Sie die Bedeutung
richtig einschätzen. Aber im Gegensatz zu Teddy Roosevelt
muß ich nicht befürchten, daß der Kongreß
beschließt, den Oberst einfach im Weltraum
auszusetzen.«
    »Sie müssen aber eine Amtsenthebung
befürchten.«
    Sie steht auf und streckt sich, und plötzlich sieht er, wie
alt und müde sie wirkt; die Lider hängen etwas, der Teint
ist grau, und der Körperhaltung nach zu urteilen, scheinen ihr
einige Muskeln nicht mehr zu gehorchen. »Befürchten?
Harris, ich freue mich darauf.«



 
JULI – SEPTEMBER 2028
     
    ›Clem‹ setzt seine Wanderung fort. Nach dem Holocaust
von Hawaii, wie die Leute

Weitere Kostenlose Bücher