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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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aufgebraucht haben,
werden wir die Zeche prellen und aus der Stadt
verschwinden.«
    »Oh, Mr. Klieg, wie empörend.«
    »Das kannst du laut sagen. Aber zurück zu den
Vereinigten Staaten. Dort wird man jetzt eine Menge Aufbauarbeit
leisten müssen – das bedeutet, daß sich in der
Wirtschaft alles um Bauholz, Beton und Stahl und das ganze Zeug
drehen wird. Alles, was ich zu tun habe, ist, mir hier und da ein
bißchen Geld zu leihen – und es gibt weiß Gott genug
Bankiers, die mir vertrauen – und mir ein Stück vom Kuchen
abzuschneiden; dann sind wir wieder auf dem Weg nach oben. Ich wette,
daß es eine Menge Geld abwirft, wenn wir in einem
Wiederaufbau-Gebiet alle Zementwerke und alle Eisenbahnstrecken
besitzen. Teufel, in absehbarer Zeit wird sicher wieder ein
Weltraumzentrum benötigt, und ich habe Erfahrung im Bau solcher
Anlagen.«
    Sie lehnt sich an ihn, und er legt den Arm um sie. Es ist schon
komisch; er weiß, daß viele Menschen in den vergangenen
Monaten sehr gelitten haben, und er selbst hat – wahrscheinlich
als erster Geschäftsmann in der Geschichte – eine Billiarde
Dollar verloren, aber irgendwie kümmert ihn das gar nicht.
Für ihn ist das Aufbauen wichtig, nicht der Besitz.
    »Du wirst doch nicht verzweifeln, John?«
    »Nicht die Bohne. Solange es da draußen zwei Leute
gibt, die etwas füreinander tun können, werde ich einen Weg
finden, mich zwischen sie zu drängen und ein Stück vom
Kuchen abzubekommen. Die Dinge werden in den USA schon wieder ins
Rollen kommen – wir haben jetzt in allen Himmelsrichtungen neue
Grenzen – und wenn du unsere Geschichte studierst, waren es
immer Kerle wie ich, die in solchen Situationen reich wurden. Wenn du
weißt, wo du Geld machen kannst, weißt du immer auch, wo
du noch mehr Geld machen kannst.« Er küßt sie
zärtlich. »Könnte enormen Spaß machen, ehrlich
gesagt; in den letzten zehn Jahren ist das Leben etwas langweilig
geworden, nachdem wir so groß geworden waren, daß wir uns
nicht mehr abrackern mußten. Und das letzte Jahr hat mich
gelehrt, Dinge zu lieben, die real und greifbar sind wie du und
Derry, und füreinander Zeit zu haben, anstatt mich ganz auf
dumme Abstraktionen wie Patente zu konzentrieren. Ich glaube, ich
werde mich nicht mehr mit Technologie herumschlagen – das war
schon in Ordnung, aber es kann einem so leicht genommen werden. Wenn
jemand Know-how haben will, kann er sich das jederzeit nehmen und es
nutzen, ohne dich dafür zu bezahlen; wenn du aber die einzige
Eisenbahnstrecke, das einzige Stahlwerk, das einzige Kraftwerk oder
den einzigen Antimaterie-Generator in der näheren Umgebung
besitzt, werden die Leute dich bezahlen und das noch dazu verdammt
gern tun.«
    Glinda schmiegt sich enger an ihn. »Chef, du schwingst
vielleicht Reden. Außerdem hast du bis gestern die einzige in
Betrieb befindliche Abschußrampe der Welt
besessen…«
    »Aber in Sibirien. Deshalb gehen wir in die Staaten
zurück, mein Schatz. Dort wird man uns unsere Eisenbahnstrecke
oder unser Stahlwerk niemals wegnehmen.«
    Sie sitzen noch lange da und sprechen darüber, wie sie die
Rückreise in die Vereinigten Staaten organisieren wollen. So
viel hat er aus dem Netz schon erfahren, daß Las Vegas den
Sturm ziemlich gut überstanden hat – aber aus der Gegend
weiter westlich liegen fast keine Berichte vor. Er hat die Grenze
gefunden – jetzt muß er nur noch dorthin gelangen,
Schlagbäume aufstellen und den Dingen, welche die Menschen am
dringendsten brauchen, sein Brandzeichen einbrennen. Es wird ein paar
anstrengende Jahre geben, aber Derry – und vielleicht ein Bruder
oder eine Schwester oder zwei – werden niemals in ihrem Leben
arbeiten müssen, und das ist es doch, worauf es im Leben
ankommt: Eine sichere Zukunft zu bauen.
    Über ihnen wölbt sich der blaue Augusthimmel,
gelegentlich erscheinen weiße Federwolken, die aber die Sonne
nie verdunkeln, und sie hängen herum wie zwei Kinder, die den
ersten Teststart beobachten wollen, den morgendlichen Start eines
Satelliten, der aus einem Flammenkissen aufsteigt und einen
weißen, sich im tiefblauen Himmel verlierenden Kondensstreifen
hinterläßt.
     
    Sie nähern sich dem Gipfel, und Mary Ann und Jesse halten auf
der Wanderung Händchen und unterhalten sich. »Spürst
du sie jetzt in dir?« fragt Jesse.
    »Carla kommt und geht. Sie ist wirklich sehr nett – eine
kultivierte Frau. Louie ist zwar ein bißchen schroff, aber ich
mag ihn trotzdem.« Sie wischt sich Haarsträhnen aus dem
Gesicht.
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