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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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und es ist die
ausströmende spirituelle Energie, die dich mit dem Universum
verschmelzen läßt und dir ein Gefühl dafür
verschafft, welche Einstellung du gegenüber allem haben solltest
– dem zentrischen männlichen Orgasmus diametral
entgegengesetzt, der technologisch und aggressiv und das alles ist.
Also… nun, ich hatte immer große Schwierigkeiten mit dem
Orgasmus – der Gesprächskreis meiner Mutter hat sich oft
nur damit beschäftigt, wie Mutter mir dabei helfen konnte –
aber als es dann endlich klappte, war ich in hohem Maße nonzentrisch, ich spürte wirklich das ganze Universum und
war so voller Liebe, daß ich nicht einmal mehr wußte,
daß ich überhaupt Verkehr hatte. Aber mit dir… in der
Wüste… ich hatte ungefähr zehn Orgasmen, und sie waren
völlig selbstsüchtig. Ich meine, ich war absolut männlich und selbstsüchtig! Alles, was ich tat, war
zu den Sternen aufzuschauen und zu kommen; ich dachte an nichts
anderes mehr als an das gute Gefühl zwischen den Beinen.
    Und diese ganze letzte Woche – ich meine, ich habe diesen
ganzen in-love- Kramgemacht, was ich eigentlich nicht
hätte tun sollen. Es hat so viel Spaß gemacht und ich habe
es so genossen… siehst du denn nicht, wohin das führt? Ich
hatte immer geglaubt, ich wäre stark, bin es aber nicht. Ich
fahre nur auf diese Sache ab wie… wie… ich weiß es
nicht, aber ich tue es eben. Wenn ich bei dir bleibe, verliere ich
womöglich noch alle meine Werte, verstehst du das denn nicht?
Ich kann nicht… obwohl ich es wirklich möchte.«
    Sie schaut wieder auf die Uhr, und Jesse blickt auf seine und
sieht, daß es nur noch eine Minute bis zum Bahnhof von
Hermosillo ist. »Schau«, sagt sie nun, »ich muß
damit aufhören und wieder an meinen eigenen Werten arbeiten. In
vielerlei Hinsicht wirst du wohl für mich die Person darstellen,
die ich hätte sein können, wenn ich so geboren worden
wäre oder mich entschieden hätte, diesen Weg zu gehen
– das soll nicht heißen, ich hätte sein können
wie du, aber ich weiß, daß ich deine perfekte Freundin
und sehr glücklich hätte sein können und so weiter,
und ich sehe auch, daß es viel Spaß gemacht hätte,
aber es bedeutet mir nichts, glücklich zu sein oder Spaß
zu haben; die Erde braucht Menschen, die sich um sie kümmern,
und wenn ich bei dir bleibe, werde ich das vergessen. Gleich am
nächsten Tag bin ich vor anderen Leuten in die Rolle des
Integrators geschlüpft – als ob wir noch im zwanzigsten
Jahrhundert leben würden und es zwei debattierende Fraktionen
gäbe, anstatt zur Kenntnis zu nehmen, daß wir bereits eine Welt haben und gemäß dieser Prämisse
handeln müssen. Gwendy hat mich darauf hingewiesen. Das habe ich
nicht mehr erlebt, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich bin es
nicht gewohnt, meine Werte einer Revision unterziehen zu müssen,
und ich möchte es auch nicht tun müssen.
    Also habe ich mich dem Projekt zur Erhaltung der natürlichen
Lebensgrundlagen angeschlossen und werde für ein paar Monate
nach Tehuantepec in Oaxaca gehen, um an der Verbreitung korrekter
Werte mitzuarbeiten und um dort von Menschen zu lernen, die noch
nicht so von zentrischem und linearem Denken kontaminiert sind. Ich
hatte wirklich Spaß, und ich schulde dir wohl auch Dank,
außer daß der Spaß mich zu einem Verstoß
gegen meine Werte hätte verleiten können, also sage ich
nur, daß ich dich vermissen werde, weil ich glaube, daß
du es gern hörst und weil es auch die Wahrheit ist.«
    Während sie noch den letzten Satz spricht, wirkt eine
spürbare Kraft auf das Abteil ein, die Jesse in die Polsterung
des Sitzes drückt und Naomi nach vorne kippen läßt.
Die Ziplines laufen so ruhig und erschütterungsfrei,
daß man ihre Bewegung wirklich nur beim Anfahren oder Anhalten
registriert.
    Als sie geendet hat, steht sie auf – wobei sie für einen
Moment fast das Gleichgewicht verliert – und sagt: »Und ich
habe auch darum gebeten, diesmal bei der AIDS-ARTS-SPM-
Patientenbetreuung eingesetzt zu werden anstatt bei der
Tutoren-Schicht, so daß wir nicht zusammenarbeiten werden.
Gwendy, Sibby und Foxglove holen während unserer Abwesenheit
meine Sachen aus unserem Wohnheimzimmer – ich habe ihnen den
Schlüssel gegeben –, damit wir uns nicht noch einmal
begegnen müssen, denn ich weiß, daß das für uns
beide schmerzlich wäre. Nicht, daß mir der Schmerz etwas
ausmachen würde, aber es wäre schmerzlich für dich,
und ich will nicht selbstsüchtig sein.« Ihr Gesicht ist
jetzt

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